Anti-Brexit-Parteien in Nordirland: Wahlpakt gegen die DUP
Die nordirischen Anti-Brexit-Parteien wollen der protestantisch-unionistischen Democratic Unionist Party Stimmen abluchsen. Eine Chance?
Deshalb verzichtet die katholisch-nationalistische Social Democratic and Labour Party (SDLP) in Nord-Belfast auf eine Kandidatur, damit John Finucane von Sinn Féin den stellvertretenden DUP-Vorsitzenden Nigel Dodds überflügeln kann. John Finucanes Vater Pat, ein Anwalt für Bürgerrechte, ist 1989 von der protestantisch-loyalistischen Ulster Defence Association mit Hilfe des britischen Geheimdiensts MI5 ermordet worden.
Dessen Chancen, Dodds den Unterhaussitz abzunehmen, stehen recht gut. Auch wenn die gemäßigte Ulster Unionist Party (UUP) erklärt hat, sie habe die Kandidatur ihres Parteichefs Steve Aiken in Nord-Belfast zurückziehen müssen, weil er Morddrohungen für den Fall erhalten habe, dass er der DUP Stimmen abjage und dadurch Finucane zum Sieg verhelfe.
Im Gegenzug tritt Sinn Féin in den Wahlkreisen Süd-Belfast, wo fast 70 Prozent gegen den Brexit gestimmt haben, und Ost-Belfast nicht an, um der SDLP beziehungsweise der Alliance Party zum Sieg zu verhelfen.
Verdopplung der Stimmen in Aussicht
„Bei dieser Wahl geht es um die Zukunft unseres Landes“, sagte die Sinn-Féin-Präsidentin Mary Lou McDonald. „Sinn Féin hat seit dem Referendum mit den anderen Anti-Brexit-Parteien zusammengearbeitet, um der britischen und irischen Regierung, der EU und den USA die deutliche Botschaft zu senden, dass die DUP nicht für Nordirland spricht.“
Die Alliance Party, die in der Frage, ob Nordirland britisch oder irisch sein soll, offiziell neutral ist, wird laut Umfragen ihren Stimmanteil von rund 8 Prozent bei den letzten Wahlen verdoppeln. Auch die SDLP wird demnach von 11,7 auf 14 Prozent klettern. DUP und Sinn Féin müssen hingegen mit Einbußen von acht beziehungsweise 5,5 Prozentpunkten rechnen. Aufgrund des Wahlsystems, bei dem der Gewinner das Mandat erhält und alle anderen leer ausgehen, wird sich das aber weniger dramatisch auf die Verteilung der 18 Sitze auswirken.
Die DUP indes hofft auf einen ähnlichen Ausgang der britischen Parlamentswahlen wie 2017. Damals wurde sie zum Zünglein an der Waage, weil die Tories ihre absolute Mehrheit verspielt hatten. Die 10 DUP-Abgeordneten stützten Theresa Mays Minderheitsregierung und verlangten dafür, dass Nordirland nach dem Brexit keinen Sonderstatus bekomme.
Seit Boris Johnson die Nachfolge von May angetreten hat, ist diese Verabredung endgültig aufgekündigt. Sein Deal mit der Europäischen Union beinhaltet eine komplizierte Lösung: Die Provinz soll zwar gemeinsam mit dem Rest des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion austreten, aber bei Warenimporten sollen weiterhin eine Reihe von EU-Zollregeln gelten. Damit würde de facto eine Zollgrenze in der Irischen See zwischen Nordirland und Großbritannien entstehen. Auf die DUP kann Johnson deshalb nicht mehr zählen, denn sein Deal beschleunigt ihrer Meinung nach die Trennung Nordirlands vom Vereinigten Königreich.
Nordirische Gesellschaft ist gespalten
Johnsons einzige Chance ist eine absolute Mehrheit, um seinen Deal vom Unterhaus absegnen zu lassen. Aus Nordirland wird er lauter Gegenstimmen erhalten – allerdings nicht von Sinn Féin. Deren Abgeordnete nehmen ihre Sitze nicht ein, weil sie die Teilung Irlands nicht akzeptieren und den für Abgeordnete obligatorischen Eid auf die Königin nicht schwören wollen. So können sie nicht gegen Johnsons Brexit-Deal stimmen.
Nordirland war beim Brexit-Referendum mehrheitlich für den Verbleib in der EU. Die nordirische Gesellschaft ist jedoch in einen pro-britischen und einen pro-irischen Bevölkerungsteil gespalten. Bisher haben die Wählerinnen und Wähler beider Seiten noch immer loyal für ihre Parteien gestimmt. So wird der Brexit hier bei den Wahlen eine geringere Rolle als in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!