: Die Traueranzeige der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst
22 Prozent auf schwarzem Grund: Die nGbK wendet sich mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit, denn sie sieht sich durch Versäumnisse der Senatskulturverwaltung in ihrer Existenz gefährdet
Von Matthias Reichelt
Kürzlich wandte sich die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK), einer der beiden in Berlin seit 1969 existenten Kunstvereine, mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit. Tenor: Der Verein sieht sich in seiner Existenz bedroht. Auf der Webpage signalisiert „22 %“ auf schwarzem Hintergrund den Fehlbedarf, der sich aus dem breit angelegten kulturellen Engagement ergibt. Es umfasst neben dem eigenen Ausstellungsraum auch die „station urbaner kulturen“in Marzahn-Hellersdorf. Gestiegene Mietkosten, notwendige Lohnanpassungen und das Auslaufen des Mietvertrages 2022 mit der Berggruen-Holding, die das Haus in der Oranienstraße an einen Luxemburger Investor verkauft, sind weitere Belastungen. Dazu wechselt jetzt die Geschäftsführerin Lilian Engelmann zur Senatsverwaltung für Kultur und Europa und die Nachfolge ist noch offen.
Die Förderung ist gedeckelt
Von Beginn an wurden beide Kunstvereine aus der Lotto-Stiftung Berlin finanziert. Bis Anfang der 1980er Jahre stellten sie Anträge für einzelne Projekte, womit sich der nach Parteienproporz mit drei Senator*innen und drei Abgeordneten besetzte Stiftungsrat in nahezu jeder Sitzung befasste. Im eigenen Interesse vereinfachte die Lotto-Stiftung das Procedere und hob beide Kunstvereine in den Stand der institutionellen Förderung. Beide Vereine stellen seither jährlich einen Antrag für das Jahresprogramm inklusive Geschäftsstelle und Ausstellungsräume. Der Neue Berliner Kunstverein (n.b.k.) erhält für die zusätzlich betriebene Artothek mehr Mittel, ansonsten herrscht Gleichbehandlung. Allerdings ist die Förderung gedeckelt und liegt bei der nGbK jährlich bei 750.000 Euro. Eine auch von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa befürwortete Erhöhung hat der Stiftungsrat mehrfach abgelehnt. Dr. Marion Bleß vom Vorstand der Lotto-Stiftung äußerte gegenüber der taz, dass die institutionelle Förderung der beiden Kunstvereine legitim sei, es sich aber die Frage stelle, ob die Kunstvereine auf Dauer nicht eher im Senatshaushalt untergebracht werden sollten. Die vordringliche Aufgabe der Stiftung sei es, einzelne und temporäre Projekte zu fördern. Allerdings sei Panikmache fehl am Platz, niemand bestreite die kulturelle Bedeutung der nGbK. Die Lotto-Stiftung habe auch nicht vor, die Förderung der Kunstvereine einzustellen, bevor deren Eingliederung in den Senatshaushalt erfolgt sei.
Diese Eingliederung ist aber jetzt bei der Verabschiedung des Haushalts wieder nicht erfolgt, obwohl die Senatsverwaltung seit Jahren beteuert, beide Kunstvereine in den Haushalt überführen zu wollen. Daniel Wesener (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten, sieht das Versagen bei Senator Lederer, während seine Kollegin Regina Kittler (Linke) versichert, der Senator habe hart gekämpft, der Finanzsenator aber auf einer Kürzung des vorgelegten Haushaltsentwurfs bestanden. Wahrscheinlich hat Lederer dann im Wissen um eine bis auf Weiteres sichere Finanzierung der Kunstvereine durch die Lotto-Stiftung auf diesen Posten von etwa 2 Millionen Euro verzichtet. Das ist aber letztendlich nur Mutmaßung.
Die nGbK wirft dem Senat Wortbruch vor und bezieht sich auf eine gemeinsame Sitzung im Februar 2018 mit Staatssekretär Torsten Wöhlert. Eine Erhöhung, so Wöhlert gegenüber der taz, sei weder versprochen noch zugesagt worden. „Das wäre auch unprofessionell, da wir nicht wissen können, wie die Haushaltsverhandlungen laufen. Richtig ist, dass wir versucht haben, die nGbK nicht mehr über Lotto-Mittel zu finanzieren, sondern in den Haushalt zu übernehmen und die Mittel zu erhöhen. Dies war in den Haushaltsverhandlungen nicht durchsetzbar. Die Weiterführung des Programms in der Außenstelle Hellersdorf wollen wir, wie in der Vergangenheit auch, durch Umschichtungen im Haushalt finanzieren.“ Auch bei der Suche nach neuen Räumen wolle die Senatsverwaltung, so Ingrid Wagner, helfen.
Die nGbK ist aufgrund ihrer basisdemokratischen Struktur ein einzigartiger und wichtiger Kunstverein, in dem viele Künstlerinnen und Kuratoren ihre ersten Erfahrungen im Konzipieren und Organisieren von Ausstellungen sammeln. Zuletzt mögen sich Programm und Ausstellungsästhetik stark an aktivistischen Themen orientiert und die Diversität der früheren Praxis hintangestellt haben. Deswegen zählt aber die nGbK nach wie vor zu den Hot Spots einer jungen, genderpolitischen und gesellschaftskritischen internationalen Kunstszene in Berlin. Von existenzieller Gefährdung kann nicht wirklich die Rede sein. Trotzdem ist die von Lotto nicht unterstützte Aufstockung des Etats dringend notwendig.
Auch dem n.b.k. reicht die Finanzierung durch die Lotto-Stiftung nicht aus, um das Jahresprogramm zu finanzieren. Direktor Marius Babias widmet entsprechend einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeit der Drittmittelbeschaffung. Überrascht vom Vorgehen der nGbK, betont er gegenüber der taz, dass der n.b.k. seit vielen Jahrzehnten vertrauensvoll mit der Lotto-Stiftung zusammenarbeite, das sehe er auch für die Zukunft so. Sollte die Senatsverwaltung schließlich beide Kunstvereine in den öffentlichen Haushalt integrieren, würde der n.b.k. seine bereits jetzt positive Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung auf dieser Basis weiterführen.
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