Forscher an Hamburger Hochschulen: Wissenschaft ist brotlos
Der akademische Mittelbau wehrt sich gegen prekäre Arbeitsverträge an den Unis. Mit Geld vom Bund, wäre es jetzt möglich, das zu ändern.
Der Zeitpunkt ist günstig, denn zum einen hat der Bürgerschaftswahlkampf in Hamburg begonnen, zum anderen schaffen Zuwendungen des Bundes den Spielraum, die Beschäftigungsbedingungen zu verbessern. Die Kanzler der deutschen Universitäten haben jedoch in einer gemeinsamen „Bayreuther Erklärung“ bereits im September deutlich gemacht, dass sie nichts an den Befristungen ändern wollen.
Die derzeitigen Verhältnisse gehen auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 zurück, das mehr Leuten eine Promotion oder Berufserfahrung an Forschungseinrichtungen ermöglichen sollte. Die Hochschulen machten von den dadurch ermöglichten Befristungen für Arbeitsverträge großzügig Gebrauch.
Die Folge: „Bis man angekommen ist an einem Punkt, wo man eine unbefristete Stelle hat, ist man 40 Jahre alt“, stellt ein Sprecher der Initiative fest. Denn nicht nur Doktoranden sondern auch Habilitanden würden mit befristeten Verträgen abgespeist – dabei forschten und qualifizierten sie sich nicht nur, sondern verantworteten auch einen beträchtlichen Teil der Lehre.
Dauerstellen für Daueraufgaben
Nach einer Aufstellung der Mittelbauinitiative hat sich die Zahl der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter in Hamburg seit 2006 von fast 2.700 auf rund 5.500 verdoppelt. Dabei stieg die Zahl der unbefristet Beschäftigten lediglich von rund 1.000 auf 1.200. In anderen westlichen Ländern liegt der Anteil der befristet beschäftigten Wissenschaftler jedoch viel niedriger.
Die Mittelbauinitiative Hamburg ist Teil des bundesweiten Netzwerks „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ und beteiligt sich an der Kampagne „Frist ist Frust“. Zu den Kernforderungen der Initiative gehört die „Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen insbesondere im wissenschaftlichen Mittelbau“.
Mittelbauinitiative
Mit Blick auf die universitäre Lehre postuliert sie: „Für Daueraufgaben braucht es Dauerstellen.“ Zudem fordert sie eine faire Bezahlung. „Angestellte Wissenschaftler haben häufig halbe oder Zweidrittel-Stellen, arbeiten jedoch Vollzeit oder darüber hinaus“, erläutert ein Sprecher.
Eine Möglichkeit, das zu ändern, ergibt sich nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus dem Hochschulpakt, den Bund und Länder Mitte des Jahres geschlossen haben. Bis Anfang 2020 sollen die Länder darlegen, wie sie das Geld aus diesem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ ausgeben wollen.
Der Pakt, der Zuwendungen des Bundes an die Länder vorsieht, ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger unbefristet. Die Länder hätten damit „auch die Möglichkeit, eine Quote für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in den Kriterienkatalog aufzunehmen“, merkt die GEW an.
Hamburgs Verpflichtungserklärung gegenüber dem Bund werde auch Aussagen zum Thema Ent- und Befristung enthalten, teilt die Wissenschaftsbehörde mit. Die Hochschulen hätten sich früh zu einem Code of Conduct verpflichtet, zu dem es gehöre, unangemessen kurze Befristungen zu vermeiden und Daueraufgaben durch unbefristet Beschäftigte erledigen zu lassen. Diese Ziele würden „hochschulindividuell im Dialog“ verfolgt.
Den Code of Conduct gibt es seit 2013. Seit die Grünen die Wissenschaftsbehörde führten, stagniere aber dessen Umsetzung, kritisiert die GEW. Senatorin Katharina Fegebank überlasse den Kanzlern unter Verweis auf die Hochschulautonomie das Feld.
Habilitanden bleiben an der Uni
Und die Kanzler stellten in ihrer Erklärung fest: „Universitäten leisten mit der akademischen Qualifizierung dringend benötigter Fachkräfte einen wichtigen Beitrag für Gesellschaft, Wirtschaft und den öffentlichen Dienst.“ Dieser sei nur möglich, wenn „das Modell befristeter Qualifizierungsphasen“ auch weiterhin nicht angetastet werde.
Die Mittelbauinitiative wirft den Kanzlern vor, sie machten „keinerlei Unterschied zwischen promovierendem und habilitierendem ‚Nachwuchs‘“. Wer Professorin oder Professor werden wolle, qualifiziere sich für eine Karriere an der Hochschule. In diesen Fällen sei eine Befristung unsinnig. Die Forderung nach Entfristung beziehe sich deshalb auf Habilitanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!