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Lob der KommunalpolitikLeid und Leidenschaft

Die bekannteste Bürgermeisterin Berlins, Monika Herrmann, hört 2021 auf. Warum sind nicht alle KommunalpolitikerInnen so bekannt wie sie?

Monika Herrmann im Gespräch mit Oranienplatz-Besetzern im April 2014. Foto: dpa

Ganz ehrlich: Wissen Sie, wie die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister Ihres Bezirks heißt? Und wenn ja: Würden Sie ihn oder sie auf der Straße erkennen? Eine Mehrheit der BerlinerInnen muss diese beide Fragen wohl verneinen. Der Bekanntheitsgrad der meisten Bezirksbürgermeisterinnen und Stadträte liegt weit unter dem der Berliner Senatorinnen und Senatoren. Und selbst letztere haben – wenn sie ein eher unauffälliges Ressort betreuen oder selbst eher unauffällig sind – mit Unbekanntheitswerten von über 50 Prozent zu kämpfen.

Kämpfen deshalb, weil es natürlich zur Jobbeschreibung von Politikern gehört, bekannt(er) zu werden. Auf kommunaler Ebene – also in den Bezirken – gelingt das nur wenigen. Heinz Buschkowsky, der langjährige rüde SPD-Bürgermeister von Neukölln, schaffte es mit markigen Sprüchen bis in die bundesweiten Talkshows. Und seine Nachfolgerin Franziska Giffey (SPD) nutzte den Posten gar als Sprungbrett ins Bundeskabinett. Und Andreas Geisel (SPD) war vor seinem Senatorendasein Stadtrat in und Bürgermeister von Lichtenberg. Aber wer kennt Frank Balzer, Cerstin Richter-Kotowski und Sören Benn? Sie alle regieren Bezirke und damit – gemessen an der Einwohnerzahl – eine mittlere deutsche Großstadt.

Ein Name fehlt in der obigen Aufzählung: der von Monika Herrmann, seit 2013 Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Seit sich Buschkowsky 2015 aus Altersgründen von seinem Amt zurückziehen musste, ist die Grüne unangefochten die bekannteste Kommunalpolitikerin der Stadt. Doch 2021, zum Ende der Legislaturperiode, ist Schluss; das hat die erst 55-Jährige vor wenigen Wochen auch offiziell angekündigt. Intern war das schon lange kein Geheimnis mehr. Drei Legislaturperioden seien genug, sagt Herrmann im Interview mit der taz. Und fügt hinzu: „Karrieretechnisch betrachtet ging es gar nicht besser! Ich habe im Leben das erreicht, was ich wollte.“

Diese Berühmtheit liegt nicht unbedingt an Herrmann selbst, auch wenn sie natürlich ihren Teil dazu beiträgt. Der Bürgermeisterinnenposten in Friedrichshain-Kreuzberg bringt viele Aufgaben mit sich, für die progressive und unkonventionelle Lösungen gefunden werden müssen, zumindest ist dies die Forderung eines guten Teils der Bevölkerung des 280.000-EinwohnerInnen-Bezirks.

Kommunalpolitik extrem

2012, als Geflüchtete erst den Oranienplatz besetzten und dort ein Camp aufbauten und später auch in die leer stehende Gerhard-Hauptmann-Schule einzogen, war es bald an ihr und dem zuständigen grünen Baustadtrat Hans Panhoff, Perspektiven für die Menschen auf dem Platz und drumherum zu entwickeln – jenseits von Repression und bisweilen Rechtsstaatlichkeit, oft gegen die Interessen des damaligen rot-schwarzen Senats, bisweilen auch gegen die linke Szene im Kiez. Die Debatten ­waren hart, teils unerbittlich, wie das Bild auf dieser Seite zeigt; nicht immer endeten sie mit einem Ergebnis. Es war Kommunalpolitik auf ex­treme Weise.

Der Disput um den guten Umgang mit Geflüchteten brachte Herrmann in alle Zeitungen des Landes, genauso wie später ihre Haltung beim Umgang mit Dealern. Ähnlich ergeht es gerade dem aktuellen Baustadtrat des Bezirks, Florian Schmidt (Grüne). Bürgerlichen Medien gilt er unter anderem wegen des Rückkaufs vieler Wohnhäuser als „Investorenschreck“, und auch er saß schon bei Sandra Maischberger auf der Couch.

Aber der Alltag in der Berliner Kommunalpolitik sieht anders aus: Die je Bezirk vier Stadträte plus Bürgermeister, der zugleich ebenfalls einen Stadtratsposten inne hat, sind für die ganze inhaltliche Breite der Bezirkspolitik zuständig. Sie führen die Verwaltung, bereiten politische Entscheidungen in der Bezirksverordnetenversammlung – dem Bezirksparlament – vor, treffen Bürgerinnen und Bürger; im Rat der Bürgermeister entscheiden sie mit über Gesetzesinitiativen des Senats, dazu gibt es Sitzungen, Sitzungen, Sitzungen. Es geht um Parks und Kultureinrichtungen, Museen, Bibliotheken; um Bebauungspläne und Parkraumbewirtschaftung, um Kitagutscheine, Jugendtreffs und saubere Schulklos; um illegalen Sperrmüll auf den Straßen und soziales Wohnen. Arbeitstage von zwölf Stunden sind eher die Regel als die Ausnahme.

Nirgends betrifft eine politische Maßnahme so viele Menschen so direkt wie im Kommunalen

Vor diesem Hintergrund ist die relative Unbekanntheit der Bezirkspolitikerinnen und -politiker erstaunlich. Nirgends ist Politik näher an den Menschen dran als im Kommunalen, selten betrifft eine Maßnahme so viele Menschen so direkt wie hier: wenn die Jugendeinrichtung geschlossen wird, das Parken vor dem Haus plötzlich Geld kostet, der Wochenmarkt wegen Anwohnerprotesten nicht mehr genehmigt wird. Und während vielen Berlinerinnen und Berlinern ihr Kiez sehr naheliegt und von ihnen wertgeschätzt wird, ist dies bei der Kiezpolitik viel weniger der Fall.

Mal die BVV besuchen

Stattdessen steht – wenn überhaupt – die schon etwas abgehobenere Landes- oder gar nur die Bundespolitik im Fokus der Menschen, die fast nur noch medial vermittelt wird. Natürlich ist ein Grund für das Schattendasein des Kommunalen, dass auch die Medien, die taz eingeschlossen, sich oft auf die „große Politik“ konzentrieren. Aber dank der sozialen Medien sind längst neue Kanäle entstanden, die PolitikerInnen wie BürgerInnen nutzen können.

Wer sich also über die Politik oder „die da oben“ empört, sollte sich eine Facebook-Seite eines medienaffinen Bürgermeisters genauer anschauen oder sich mal ein paar Stunden in eine Sitzung des Bezirksparlament setzen und erleben, dass Politik nicht nur aus Schein und Show besteht, sondern aus oft konstruktivem Dialog und Aushandeln. Und vielleicht sollten Schulklassen statt im Abgeordnetenhaus lieber mal in ihrem Bezirk vorbei schauen. Es würde die Wertschätzung für die oft mühsame Arbeit der Kommunalpolitiker erhöhen

Am Ende geht es dann mehr Kiezköniginnen wie Monika Herrmann: „Je höher du in der Politik kletterst, desto abstrakter wird die Politik. Das macht mir gar keinen Spaß. Hier werde ich, wenn ich mich in ein Café setze, garantiert angesprochen.“

Monika Herrmann im Interview in der taz.berlin an diesem Wochenende

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