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Neonazi-Demo gegen JournalistenHetze mit Namenslisten und Fotos

Die NPD mobilisiert in Hannover zu einer Demo gegen einen kritischen Journalisten. In sozialen Netzwerken suchen Neonazis nach weiteren Namen.

Aus Solidarität: Kein Foto Foto: taz

Hamburg taz | Die NPD will in Hannover gegen den Journalisten Julian Feldmann demonstrieren. Mit der Aktion gegen den freien Mitarbeiter des NDR erreicht der Hass und die Hetze gegen die vermeintliche Lügenpresse eine neue Qualität. Erstmals mobilisieren die Neonazis direkt gegen einen Journalisten. Unter dem Motto „Schluss mit steuerfinanzierter Hetze – Feldmann in die Schranken weisen!“ wollen sie am 23. November auf die Straße gehen. Weitere Anfeindungen werden bereits vorbereitet.

In ihrem Aufruf wettert die NPD Niedersachsen über den „zwangsfinanzierten Staatsrundfunk“, der die Bürger „indoktriert“. Die Kritik an den Rundfunkgebühren ist nicht bloß in rechten Kreisen verbreitet. Die NPD um den Landesvorsitzenden Manfred Dammann beklagt aber zudem, dass vermeintliche „Linksextremisten eine Bühne oder sogar Anstellungen und Aufträge vom öffentlichen Rundfunk bekommen“ würden. „Prominentestes Beispiel“ sei Feldmann.

Seit einigen Wochen wird Feldmann, der auch für das Politikmagazin „Panorama“ arbeitet, von der NPD und ihrer Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ angefeindet. Die Szene nimmt dem Journalisten übel, einerseits dass er regelmäßig über aktuelle Entwicklungen im rechten Milieu berichtet sowie andererseits auch, dass er angeblich „ehemalige Soldaten“ aus dem Zweiten Weltkrieg „als Monster und Verbrecher“ darstelle. Dabei geht es um den NS-Kriegsverbrecher Karl Münter aus dem niedersächsischen Nordstemmen.

Ehemaliger SS-Mann relativiert im Interview den Holocaust

In einem Interview, das Feldmann mit zwei Kollegen im November 2018 mit Münter führte, hatte der damals 96-Jährige den Holocaust relativiert und die Opfer eines SS-Massakers verhöhnt. Die NPD behauptete nun in ihrem Aufruf zu dem Aufmarsch, Feldmann hätte Münter „mit merkwürdigen Fragen in ein Gespräch verwickelt“, ohne zu erwähnen, dass er Journalist sei und das Gespräch für das Fernsehen gedacht sei.

Eine Lüge der NPD, wie nun auch die Pressekammer des Landgerichts Hamburg feststellte. Wie der Norddeutsche Rundfunk am Dienstag mitteilte, hat der Sender dort erwirkt, dass die NPD diese Falschbehauptung gegen den NDR-Mitarbeiter nicht wiederholen darf. Feldmann und seine zwei Kollegen hätten „eindeutig und vor laufender Kamera“ erklärt, dass sie vom NDR-Fernsehen seien und das Gespräch dort ausgestrahlt werde. Sollte die NPD künftig anderes behaupten, drohe ihr ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000 Euro.

Doch die rechte Szene bereitet derzeit noch weitere gezielte Anfeindungen vor: gegen Journalist*innen, die kontinuierlich über Rechtsextremismus berichten sowie gegen Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen gegen Rechts. In sozialen Medien verschicken Rechtsextremisten Fotos von Journalist*innen mit der Bitte um Hinweise. Andere Rechte fragen mit Namenslisten nach „Bildern und Informationen“ über die Personen.

Eine der Betroffenen, die wir an dieser Stelle nicht namentlich erwähnen, steht auch auf der Feindesliste „judas watch“ der rechtsextremen Szene. Sowohl Landes- wie Bundeskriminalamt hatten ihr dazu mitgeteilt, „dass derzeit keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der aufgelisteten Personen vorliegen“. Sie fragt sich nun, warum die Polizei sich darin so sicher ist.

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7 Kommentare

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  • Jeder weiß, was mit Nazis mit uns machen, wenn man sie lässt!

    Schluss jetzt!

  • RS
    Ria Sauter

    Die Polizei kann erst einschreiten, wenn etwas passiert ist.



    Hier müßte der Gesetzgeber dringend etwas ändern. Eine Bedrohung hat enorme Auswirkungen auf das Leben.



    Danke an alle, die gegen rechts kämpfen!

  • Kommentar entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette.

  • Ist das rechtlich überhaupt erlaubt gegen "Privatpersonen" zu demonstrieren?

    Das ja wie ein mittelalterlicher Pranger.

  • Recht haben sie! Ich denke auch, man sollte die Anforderungen an Bewerber für Jobs im öffentlich-rechtlichen Rundfunk an die Möglichkeiten von Rechtsextremisten anpassen, um ihnen eine gerechte Teilhabe zu ermöglichen. Gesinnung sollte wichtiger sein als z.B. Rechtschreibung und Faktenwissen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @winter:

      Was Sie hier als Forderung präsentieren, ist längst grausige Realität.

      Meine Empfehlung: mal zum Thema 'Grundschullehrer in Hessen' recherchieren. Die Zahlen sind noch frisch.

      Der Anteil so genannter "Quereinsteiger" (ein goldiges Wort für Menschen frei von pädagogischen Kenntnissen) ist ein Skandal. Ein politisch gewollter. Wer den Lehrerberuf - und mit ihm soziale und helfende Tätigkeiten - rechts liegen lässt, bezweckt genau dieses.

      Nach dieser Logik ist JedeR für den Lehrerberuf geeignet. Jeder war selbst mal Kind - und Schüler.

      Nach Kommentar über.....

  • Es verschlägt einem den Atem, was mittlerweile so alles möglich ist. Man ärgert sich und ist schockiert zugleich. Es ist wohl hoffentlich allen klar, wie wichtig der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Demokratie und die Meinungsfreiheit ist. Keiner kann im Ernst auch nur dran denken, diese Institution infrage zu stellen.