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Streit um die GrundrenteKommt sie nun?

Der Streit zwischen Union und SPD über die Grundrente hält an. Wer will hier was? Und warum fällt eine Einigung so schwer? Ein FAQ.

Der Armut entgegen? Eine Grundrente könnte vielen älteren Menschen helfen Foto: Karsten Thielker

Berlin taz | In der Großen Koalition kriselt es, das Spitzentreffen zum Thema Grundrente wurde auf kommenden Sonntag verschoben. SPD und Union können sich nicht über die Bedürftigkeitsprüfung in der Grundrente einigen. Die ExpertInnen im Hintergrund rechnen und rechnen unterdessen, denn die geplante Aufstockung von Kleinrenten wirft heikle Verteilungsfragen auf. Hier ein paar Fragen und Antworten.

Warum gelingt die Einigung zur Grundrente nicht?

Einigkeit besteht zwischen Union und SPD darüber, dass alle, die 35 Jahre Beitragszeiten für die Rentenversicherung aufweisen, am Ende eine Rente von zehn Prozent über der Grundsicherung (Hartz IV) bekommen sollen. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Dort steht allerdings auch, dass es eine strenge „Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung“, geben soll. Das heißt, KleinrentnerInnen, die über Partnereinkommen verfügen oder etwas Vermögen haben, bekämen keine Rentenaufstockung. Die SPD will auf keinen Fall eine strenge Bedürftigkeitsprüfung. Die Union besteht aber auf einer Bedürftigkeitsprüfung und einer Eingrenzung der Sozialleistung, die ja von Steuer- und BeitragszahlerInnen gegenfinanziert werden muss.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Im Gespräch ist ein Kompromiss, in dem die Deutsche Rentenversicherung Bezug auf das Alterseinkommen nimmt, das vom Finanzamt festgestellt wird. Überschreitet das Gesamteinkommen des Haushalts dann bestimmte Freibeträge, gibt es keine aufstockende Rente. Diese Bedarfsprüfung wäre bei weitem nicht so streng wie bei der Grundsicherung, und Vermögensbesitz würde nicht angerechnet. Damit würden aber zum Beispiel Frauen, die 35 Jahre lang Teilzeit gearbeitet haben und einen wohlhabenden Mann haben, keine Grundrente bekommen. Wenn das aber Frauen sind, die Teilzeit gearbeitet haben und Minirenten kriegen, weil sie Kinder erzogen oder Alte privat gepflegt haben, dann könnte man diese Anrechnung des Partnereinkommens ungerecht finden.

Die Grundrente ist Symbol dafür geworden, ob die SPD in der Groko noch etwas bewirkt

Männer oder Frauen, die jahrzehntelang in Vollzeit zum niedrigen Lohn geschuftet haben, aber etwa wegen Krankheit nur 30 Jahre Beitragszeit schaffen und eine kleine Rente bekommen, würden aber außen vor bleiben?

Ja. Die Deutsche Rentenversicherung erfasst nicht, ob jemand in Voll- oder Teilzeit gearbeitet hat, sondern immer nur das monatliche Einkommen und die Beitragszeit. KleinrentnerInnen, die zuvor 30 Jahre in schlecht bezahlter Vollzeit geackert haben, würden also keine „Grundrente“ bekommen.

Es gibt ArbeitnehmerInnen, die 40 Jahre schlecht bezahlt gearbeitet haben und eine Rente in gerade mal der Höhe von zehn Prozent über Hartz IV kriegen. Auch die bekämen keinen Zuschuss?

Diese Leute hätten, obwohl sie vielleicht härter gearbeitet haben, am Ende das gleiche Alterseinkommen wie jemand, der viel weniger gearbeitet hat, aber aufstockende Grundrente bezieht. Die Frage der Gleichbehandlung, die Frage nach Voll- und Teilzeit, nach den 35 Jahren Beitragszeit, die Prüfung von Einkommen und Vermögen – all das sind heikle Fragen. Vor allem aber: Der Union geht es darum, die Zahl der Grundrentenempfänger eher klein und damit die Gesamtkosten unbedingt unter zwei Milliarden Euro pro Jahr zu halten. Die SPD hingegen will möglichst viele Menschen erreichen, zuletzt sollten es 1,5 Millionen GrundrentenempfängerInnen sein. Das würde mehr kosten.

Braucht die SPD die Grundrente, politisch betrachtet?

Im Prinzip ja, jedenfalls der Teil, der weiter regieren will. Am 6. Dezember wird der SPD-Parteitag entscheiden, ob Olaf Scholz und Hubertus Heil noch lange Minister bleiben werden. Doch die gesamte SPD will die Grundrente – sie ist ein Symbol geworden, ob die Partei in der ungeliebten Groko noch etwas bewirkt. Gelingt eine Einigung vor dem Parteitag, stehen die Signale auf Weitermachen, allerdings nur wenn die Grundrente erkennbar SPD-Handschrift trägt. Keine Einigung wäre für die Pro-Groko-Fraktion in der SPD schlecht. Noch schlechter wäre allerdings eine Einigung, die nach faulem Kompromiss riecht.

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2 Kommentare

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  • UNION offenbart mit ihrer Verweigerungshaltung gegenüber SPD Grundrenten Ansatz Talent, die eigentliche Debatte, die sie vermeiden will, unwillentlich zutage zu fördern, nämlich die Frage, sind Rentner´nnen, denen Rentenanwartschaften ab 2003 per Sichelschnitt um 30 % gekürzt wurden, neben Arbeitnehmer*nnen, jene, die alleine die Arbeitsmarktreform Agenda2010/Hartz4 Gesetze seit 2003 finanziert haben zu Gunsten staatlicher, privater Arbeitgeber, deren bundesweit anlassloser Lohnsubvention, dazu mit Blick auf Klagen über schwache Arbeitnehmer*nnen Kaufkraft in Deutschland durch IWF, Weltbank, EU Partnerländer, angesichts deutschem Handelsbilanzüberschuss 300 Milliarden €/anno seit Jahrzehnt, aus einem durch Gesellschaft, Wirtschaft. Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden, Stiftungen aufzulegenden Deutschlandfonds angemessen zu entschädigen?

    Wenn ja, hätte das den Gewinn, dass die Groko Grundrenten Debatte weitaus entspannter weniger aufwendig geführt werden kann.

  • Irrefuehrend: "Statt 4.000 Euro wie bisher gibt es nun 6.000 Euro vom Staat für ein neues E-Auto"

    Nach geltender Gesetzeslage ist der Zuschuss zeitlich befristet. Er war zum Markteinstieg gerechtfertigt, und sollte Anreize zu fruehzeitigem Kauf geben.

    Nun soll es aber fuer die zukunftigen Jahre 6000 Euro statt bislang vorgesehenen Null geben.