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Obdachlosigkeit in HamburgPlatte vor dem Hörsaal

Der Campus der Uni Hamburg ist für viele Obdachlose ein Zuhause. Wissenschaftler*innen fordern, dass die Uni ein eigenes Winternotprogramm aufstellt.

Zelte bieten Obdachlosen keinen wirklichen Schutz vor der Kälte Foto: dpa

Hamburg taz | Sollte sich auch die Uni Hamburg für obdachlose Menschen, deren Lebensmittelpunkt der Campus ist, einsetzen? Mit dem ersten Frost dieser Tage und dem heutigen Start des Winternotprogramms für Obdachlose werfen Wissenschaftler*innen die Frage auf, wie weit die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Hochschule geht.

Im Rahmen einer Ringvorlesung diskutierten am Dienstag zum Auftakt Wissenschaftler*innen, Sozialarbeiter*innen, Studierende und Obdachlose die Frage, ob die Uni Hamburg beispielsweise Container aufstellen sollte.

„Ziel der Veranstaltung ist eine offene und konstruktive Diskussion über das ‚Recht auf Raum‘ und über die Frage der sozialen Verantwortung einer Hochschule, deren Campus Lebensraum von Menschen ohne eigene Wohnung ist“, sagt Cornelia Springer, die die Ringvorlesung „Hamburg für alle – aber wie?“ leitet.

Denn der Campus der Uni Hamburg ist für einige Menschen ein Zuhause. Damit sind nicht Professor*innen, Angestellte oder Studierende gemeint, die nach der Arbeit oder den Vorlesungen in ihre Wohnungen fahren, sondern auch Wohnungslose, die den Campus – teils sichtbar, teils unsichtbar – nutzen. Wie viele es genau sind, ist zwar nicht genau bekannt, es dürfte aber eine zweistellige Zahl sein.

Nicht alle finden einen Platz

Andrea Hniopek von der Caritas verweist darauf, dass es viel mehr Angebote vor Ort geben müsste, wo Obdachlose ihren Lebensmittelpunkt haben. „Wir haben in Hamburg vor allem feste Einrichtungen, aber dort passen manche Menschen aufgrund der dort gestellten Anforderungen nicht rein“, sagt Hniopek. In den vergangenen Jahren gab es dort immer wieder Kritik, dass Obdachlose weggeschickt würden.

Winternotprogramm und Kritik

Passend zum kalten Wetter startete am ersten November das Winternotprogramm für Obdachlose. Bis Ende März stehen 780 zusätzliche Schlafplätze bereit. Die Unterkünfte sind von 17 bis 9.30 Uhr geöffnet und bieten verschließbare Schränke, Kleiderkammern, Essensausgaben und Hygiene-Angebote.

Die Stadtfirma „fördern und wohnen“ stellt 400 Betten in der Friesenstraße 22 und 250 in der Kollaustraße 15. Rund 130 Plätze in Wohncontainern bieten Gemeinden.

In Hamburg leben laut einer Studie rund 1.910 Menschen auf der Straße, 2009 waren es noch 1.029. Letzten Winter starben vier Obdachlose unter freiem Himmel.

Kritik gibt es, weil die Übernachtungsstätten nicht tagsüber geöffnet sind und die Obdachlosen morgens in die Kälte müssen.

Außerdem wurden im letzten Winter 351 Obdachlose, weil sie in einem anderen Land gemeldet waren, von den Übernachtungsstätten ausgeschlossen und auf eine Wärmestube verwiesen, wo es statt Betten Stühle gibt und nur ein Teil von ihnen ankam. Von der Ausgrenzung seien vor allem Obdachlose aus Osteuropa und Afrika betroffen, kritisiert die Linke Cansu Özdemir. Ihre Fraktion beantragt nun, das Winternotprogramm „ganztägig und für alle“ zu öffnen.

Der Soziologe Nils Zurawski weist darauf hin, dass der Von-Melle-Park, das Zentrum des Campus, zwar nicht der Uni gehöre, sondern ein öffentlicher Raum sei. „Aber dieser Raum wird ihr zugeschrieben und sie prägt den Stadtteil – deshalb hat sie auch eine Verantwortung dafür“, sagt Zurawski.

Was die Uni tun könnte, zeigt ein Blick auf die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) am Berliner Tor. Dort gibt es zehn Container, vor allem für obdachlose Frauen. Was vor über 20 Jahren als Teil des Winternotprogramms begann, ist heute ein durchgängiges Angebot. Gemeinsam mit der Caritas organisieren Studierende den Betrieb. Kosten entstünden der HAW nicht, vielmehr profitiere sie noch davon: „Studierende des Bereichs Soziale Arbeit können hier ganz praktisch davon profitieren“, sagt Hniopek. Denn fachlich würden die Studierenden durch die Caritas angeleitet.

Die Leitung der Uni Hamburg hat unterdessen versichert, dass sie sich bereits mit der Frage auseinandersetze. „Leider können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen konkreten Sachstand mitteilen“, sagt Uni-Sprecherin Merel Neuheuser. Die Ringvorlesung könnte dafür zumindest den Boden bereiten. Am Ende gehe es darum „aus theoretischen Überlegungen in die praktische Umsetzung zu kommen“, sagt Springer.

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