: Ein Tod bleibt unaufgeklärt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verwirft die Beschwerde wegen einer verweigerten Notfallbehandlung im Klinikum Bremen-Ost – und bei schlampigen Ermittlungen ist er nicht zuständig
VonJan Zier
Als „unzulässig“ zurückgewiesen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Beschwerde des Bremers Noah Akin (taz berichtete). Er wirft dem Klinikum Bremen-Ost vor, seiner Mutter lebensrettende Maßnahmen verweigert zu haben.
Ayten Akin starb 2014, nachdem sie wegen einer Routineuntersuchung ins Krankenhaus kam und nach einer Lungenspiegelung ins Koma fiel – dabei hätte die Untersuchung ohne die Einwilligung des Sohnes gar nicht gemacht werden dürfen. Drei Ärzte, so Akins Vorwurf, sollen im Anschluss daran jede Notfallbehandlung abgelehnt haben, obwohl er diese als rechtlicher Betreuer vehement eingefordert habe. Akin spricht von „Totschlag durch Unterlassen“ – und von einer „rechtsstaatlichen“ Katastrophe par excellence.“ Seit fünf Jahren kämpft er sich erfolglos durch alle Instanzen.
Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen die Ärzte ein, weil „kein hinreichender Tatverdacht“ bestehe, auch für die Generalstaatsanwaltschaft war ein kausaler Zusammenhang zwischen der fehlenden Behandlung und dem Tod der Patientin oder gar ein konkret Tatverdächtiger „nicht feststellbar“. Eine Verfassungsbeschwerde war gar nicht erst angenommen worden.
Akins Anwältin Sabine Hummerich spricht in diesem Zusammenhang von „Scheinermittlungen“. So hätten sich beide Staatsanwaltschaften auf ein „vom Arbeitgeber der Verdächtigen überreichtes Gutachten“ gestützt, das „an wesentlichen Stellen fehlerhaft“ sei, aber „unhinterfragt übernommen“ wurde: „Hier wird das Recht einer Schwerkranken auf ärztliche Behandlung negiert und damit das Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt.“
Vor dem EGMR klagt sie nicht gegen die Ärzte oder das Krankenhaus, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland. Doch die Richter halten sich auf der Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) für „unzuständig“, sagt Hummerich. So spielt es keine Rolle, dass hier „von einem rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahren nicht mehr die Rede sein kann“, wie es die Anwältin ausdrückt. Qualitätsstandards für Gerichtsverfahren seien in der EMRK „nicht kodifiziert“.
Noah Akin hat gegen die Klinikholding Zivilklage eingereicht. Mit Hilfe neuer Beweise oder eines neuen Gutachtens dort, so die Hoffnung, könnte eine Wiederaufnahme der Ermittlungen in Frage kommen. Für Hummerich geht es nicht nur um Rechtsfragen – sondern um „ein Politikum“.
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