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Protest für André HolmHU-Besetzer*innen vor Gericht

2017 besetzten Studierende das sozialwissenschaftliche Institut der Humboldt-Uni. Jetzt wurde das Verfahren gegen drei von ihnen eingestellt.

Breite Unterstützung: Protest an der HU gegen die Entlassung von André Holm Foto: dpa

Die 20 Plätze für Zuschau­er*in­nen in Saal 101 des Amtsgerichts Tiergarten reichen lange nicht für die vielen Solidarischen, die am Donnerstag erschienen sind, um drei Studierende zu unterstützen. Die Humboldt-Universität hat Anzeige gegen sie er­stattet wegen Hausfriedensbruch, nachdem sie Anfang 2017 mit anderen das sozialwissenschaftliche Institut besetzt hatten.

Die Besetzer*innen protestierten damit zunächst gegen die Entlassung des Dozenten Andrej Holm wegen Stasi­vorwürfen; Holm wurde kurz darauf wieder eingestellt. Die Studierenden forderten zudem mehr politische Beteiligung an der Uni. Nach der Anzeige erhielten die Beschuldigten einen Strafbefehl von 35 und 40 Tagessätzen zu 15 Euro, je nachdem, wie lange sie an der Besetzung beteiligt waren. Alle drei legten Einspruch ein. So kommt es am Donnerstag zur Hauptverhandlung.

Kurzer Prozess

Fast eine Stunde dauert es, bis die Zuschauer*innen durch die Sicherheitsschleuse sind, viele müssen draußen warten. Die Verhandlung wurde kurzfristig in den Sicherheitssaal verlegt: „Es wurde vorab zur Solidaritätskundgebung aufgerufen. Wir nutzen den Sicherheitssaal in solchen Fällen, weil er ­einen separaten Eingang hat und der Haupteingang bei den vielen Zu­schauer*innen überlastet wäre“, begründet Sprecherin Lisa Jani die Entscheidung.

Als die Plätze gefüllt sind, geht alles ganz schnell: Der Richter verkündet, dass das Verfahren mit Auflagen eingestellt wird. Darauf haben sich Richter, Staatsanwalt und Verteidigung vorab geeinigt. Einerseits, weil die Besetzung schon fast drei Jahre her ist, so die Begründung laut Sprecherin Jani.

Die Auflage: Die Beschuldigten müssen 300 Euro an den Naturschutzbund bezahlen.

Andererseits, weil es sich bei Hausfriedensbruch um ein ­kleines Vergehen handle und die Besetzung nicht von der Polizei geräumt werden musste. Die Auflage: Die Beschuldigten müssen 300 Euro an den Naturschutzbund bezahlen. Dann wird das Verfahren endgültig eingestellt, und es gibt keinen Strafeintrag.

Die Angeklagte Marie R. sagt dazu: „Der Prozess hat gezeigt, dass die HU mit ihrem Vorgehen nicht durchkommt.“ Sie protestiert aber weiterhin gegen die repressiven Methoden der Uni und dagegen, dass diese so lange an der Strafanzeige festhielt.

Auch die Geschäftsstelle der Landesastenkonferenz (LAK) kritisiert die Leitung der HU weiterhin: „Strafverfolgung gegen die eigenen Studierenden: Das ist eine Eskalationsstufe, an die sich seit Langem keine Uni­leitung mehr gewagt hat“, sagte LAK-Sprecher Robert Jung der taz. Außerdem hätten sich Gericht und Unileitung gerade noch um eine Blamage herummanövriert: „Ein Freispruch wäre für die Unileitung peinlich gewesen, eine Verurteilung für das Gericht.“ Der Prozess von Donnerstag stehe sinnbildlich für das geschädigte Vertrauensverhältnis zwischen der HU-Leitung und der Studierendenschaft.

HU: Bloß kein Freispruch

HU-Sprecher Hans-Christoph Keller sagte der taz: „Wir nehmen die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis. Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass es keinen Freispruch gab.“

Wenige Stunden nach Verkündung der Entscheidung besetzten Studierende erneut die sozialwissenschaftliche Fakultät der HU (s. u.). Dieses Mal im Protest gegen die türkische Offensive in Rojava. „Wir sind gerade dabei, mit dieser neuen Situation umzugehen. Dafür ziehen wir aus der heutigen Gerichtsverhandlung aber keine weiteren Schlüsse“, erklärte Keller.

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1 Kommentar

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  • 0G
    07301 (Profil gelöscht)

    Gut, dass es keinen Freispruch gibt.