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„Noch ist Polen nicht verloren....“ (polnische Nationalhymne)
Polen zwar nicht, aber die Demokratie in Polen schon so gut wie.
Erst kommt das Hemd und dann der Rock ("Hose" für Jüngere).
Schlechte Politiker werden eben nicht gewählt nur weil sie bessere Demokraten sind.
Was man übrigens durchaus in Frage stellen kann, wenn selbige letztlich nur als moralfreie Industrielobbyisten agieren.
Wohltaten
Zitat: „Sie haben in den vergangen vier Jahren geliefert. Das gilt vor allem im sozialen Bereich, wo die Verteilung von Wohltaten, wie beispielsweise eine Ausweitung des Kindergeldes, die Situation vieler Familien spürbar verbessert hat.“
Was soll hier die flapsig-abschätzende Floskel von den „sozialen Wohltaten“, als ob die offensichtliche spürbare Ausweitung des Sozialstaates in Polen nur auf Pump und zu Lasten der Wirtschaft erfolgt sei. Die Zahlen widersprächen allerdings drastisch einer solchen proto-liberalen Deutung und die Weichsel hat nicht aufgehört, in die Ostsee zu fließen: Das BIP ist von 500 Mrd. $ unter Tusk (2012) auf 586 Mrd. $ unter PiS (2018) gestiegen, pro Kopf von 13158 $ auf 1543 $. Zugleich sank die Staatsverschuldung von 55,7% des BIP 2013 auf 48,4 % 2018. Das Haushaltsdefizit schmolz von -7,34 % 2010 (unter Tusk) auf -0,56 % unter PiS. Die Arbeitslosenquote sank von 10,33% unter Tusk (2013) auf 3,8% unter PiS (2018), die Inflationsrate von 4,27 % unter Tusk (2011) auf 1,6 % unter PiS (2018). Die Bewertung von sozialer Gerechtigkeit nach dem Social Justice Index von 2008 bis 2017 ergibt einen Anstieg von 4,46 auf 5,79 und damit inzwischen einen Wert fast gleichauf mit dem EU-Durchschnitt. Der jährliche Anstieg der Reallöhne betrug ab 2016 zwischen 5 und 6 %, während sie z. B. 2012, also unter der neo-liberalen Tusk-Regierung, um 0,6% gesunken waren. (Quelle: IMF)
Unabhängig davon, was sonst noch von der PiS-Regierung zu sagen wäre, in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung hat sie der proto-liberalen Vorgängerregierung unter Tusk eine lange Nase gezeigt, eine Ohrfeige für deren EU-fromme a-soziale Wirtschaftsdoktrin und alles Geschwätz des Patronats in EU-Europa, der Sozialstaat sei nicht mehr finanzierbar. Die PiS hat vorgemacht, wie man Wahlen gewinnt. Das sollte sich hierzulande die SPD hinter die Ohren schreiben.
@Reinhardt Gutsche Ich kann weder in dem von Ihnen zitierten Satz noch im Rest des Artikels irgendeine der von Ihnen vorgebrachten Anschuldigungen erkennen.
Nix Flapsiges, kein Hinweis auf unseriöse Schulden.
Ich habe eher den Eindruck, Sie wollten auf Biegen und Brechen Ihre Zahlen loswerden.
Angesichts der Krise in 2009 halte ich auch nicht alle Ihre Zahlen für echt fair ausgewählt.
Dass der europäische Neoliberalismus dem Volke in der Regel nichts nützt, brauchen sie bei der taz eigentlich nicht aufwändig zu begünden.
Die polnische Seele, seit hunderten Jahren zerrieben von ihren unberechenbaren Nachbarn im Osten und im Westen, darf ruhig einmal patriotisch sein.
Ich kann nachvollziehen, dass die Polen keine Gängelung aus Brüssel und schon garnicht aus Deutschland wollen.
@lulu schlawiner Und darum darf die Justiz ausgehöhlt und Andersdenkende verfolgt werden?
Nur weil man Deutscher ist, heißt das nicht, dass man an niemandem Kritik üben darf. Ich stehe auch für die deutsche Verantwortung ein, deshalb wäre es mir ein Dorn im Augen, bei anti-demokratischen Entwicklungen zu schweigen..
Israels Premier Netanjahu zündelt, um an der Macht zu bleiben. Die Menschen in der Region, die Frieden wollen, drohen unter die Räder zu geraten.
Wahlen in Polen: Die Patrioten räumen ab
Die nationalkonservative PiS-Partei feiert einen großen Erfolg bei den Wahlen in Polen. Ihr Rezept: soziale Wohltaten und eine schwache Opposition.
Straßenzug am nationalen Rosenkranztag in Warschau, gesponsert von Kirche und PiS, Anfang Oktober Foto: Attila Husejnow/imago images
Alle Achtung! Da hat Polens Regierungspartei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei den Parlamentswahlen am Sonntag wieder einmal so richtig abgeräumt und mit über 45 Prozent der Stimmen ihr Ergebnis von vor vier Jahren noch übertroffen. Doch die Erklärung derjenigen, die diesen Erfolg vor allem den, ihrer Lesart nach, Dumpfbacken in den abgehängten Landesteilen zuschreiben, ist zu billig. Denn die Nationalkonservativen haben auch in den Städten und bei den ErstwählerInnen gepunktet.
Das Erfolgsrezept von Jarosław Kaczyński und seiner Getreuen ist so einfach wie logisch: Sie haben in den vergangen vier Jahren geliefert. Das gilt vor allem im sozialen Bereich, wo die Verteilung von Wohltaten, wie beispielsweise eine Ausweitung des Kindergeldes, die Situation vieler Familien spürbar verbessert hat.
Zudem hat es die Partei vermocht, ihr patriotisches Narrativ geschickt – und aller Kritik an Brüssel zum Trotz – mit einer Verortung im „Herzen Europas“ zu verknüpfen. Auch die Betonung der Verteidigung von Familie und christlichen Werten, die mit einer Dämonisierung vor allem sexueller Minderheiten einhergeht, hat offenbar Früchte getragen.
Das alles mögen kritische Geister verurteilen. Aber sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass es für die Mehrheit der PolInnen offensichtlich ein untergeordnete Rolle spielt, ob eine Regierungspartei versucht, die Medien gleichzuschalten oder Hand an die Grundfesten der Gewaltenteilung legt.
Schwäche der Opposition
Mit der Stärke der PiS korreliert die Schwäche der Opposition. Die liberalkonservative Bürgerkoalition KO hat ihre Auszeit in der Opposition nicht dazu genutzt, um sich neu aufzustellen und glaubhafte Alternativen zu formulieren. Auch der Versuch, mit Małgorzata Kidawa-Błońska noch im September eine neue Spitzenkandidatin zu inthronisieren und so Schwung in den Wahlkampf zu bringen, ist gescheitert.
Die spannende Frage wird nun sein, wie die PiS mit ihrer absoluten Mehrheit umgehen wird. Sie könnte versucht sein, den Staatsumbau in ihrem Sinne fortzusetzen. Das aber hieße, eine weitere Konfrontation mit der Europäischen Union, die Polen bereits mehrmals abgemahnt hat, in Kauf zu nehmen.
Doch wie auch immer sich die PiS entscheiden wird – es gibt auch eine gute Nachricht: Für eine Zweidrittelmehrheit, um die Verfassung komplett umzukrempeln, hat es auch diesmal nicht gereicht. Damit ist Kaczyński der Weg, den Viktor Orbán in Ungarn eingeschlagen hat, zumindest bis auf Weiteres versperrt.
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Kommentar von
Barbara Oertel
Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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