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Schreiben können!

KREATIVITÄT Die Hamburger Schule des Schreibens lehrt seit 1969 den schriftlichen Ausdruck. Viele Teilnehmer hoffen auf den großen Durchbruch: ein Buch mit dem eigenen Namen auf dem Cover

AutorIn werden

Schule des Schreibens Fernunterricht: „Schreiben ist nicht das Privileg weniger Auserwählter, sondern erlernbares Handwerk.“ Kosten: Für die „große Schule des Schreibens“ müssen 36 Monatsbeiträge à 69 Euro, insg. 2.484 Euro bezahlt werden. Infos auf www.schule-des-schreibens.de

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■ fiction-writing Schreibwerkstatt: Internetbasierter Anfängerkurs im kreativen, literarischen Schreiben. Monatlich wird eine Übungsaufgabe ausgegeben, die Texte werden eingeschickt und von anderen Mitgliedern der Schreibwerkstatt kritisch kommentiert. Kosten: keine. Mehr Infos auf fiction-writing.de

■ Das Hamburger Autorendock Schreibseminare mit Schriftstellern: „Träumen Sie auch davon, Schriftsteller zu werden? Wie wäre es, wenn Sie einmal die fragen könnten, die es geschafft haben?“ Kosten: 199 Euro. Die Seminare dauern jeweils zwei Tage. Mehr Infos auf www.autorendock.de

■ Deutsches Literaturinstitut Leipzig: Universitätsausbildung, B.A. Studiengang Literarisches Schreiben, M.A Studiengang Roman. Zugangsvoraussetzungen: Abitur, literarische Arbeitsproben, Eignungsprüfungen. Keine Altersgrenze. Kosten: Studiengebühren (bei Zweitstudium), Semesterbeitrag. Mehr Infos auf www.uni-leipzig.de/dll/

■ Universität Hildesheim „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“: „Es werden Techniken des literarischen und kulturjournalistischen Schreibens vermittelt. Zugangssvoraussetzungen: Abitur oder ein als gleichwertig anerkannter Abschluss, Arbeitsproben, eine künstlerische Eignungsprüfung wird durchgeführt. Kosten: pro Semester 500 Euro Studiengebühren plus Semesterbeitrag. Mehr Infos unter www.uni-hildesheim.de/de/ks.htm

VON EDITH KRESTA UND BRIGITTE MARQUARDT

„Das Glücksgefühl des Flow, Selbsterfahrung, Selbstreflexion, Stressabau, Interaktion von Ratio und Emotio, Selbsterkenntnis, Aktivierung der Imagination, Auseinandersetzung mit sich und der Welt, Kommunikation im konzentrierten Akt des ästhetischen Tuns“ – so werben Schreibwerkstätten, Schreibseminare oder -kurse an Volkshochschulen vollmundig für ihr Angebot. Die Nachfrage ist groß, das Angebot wächst.

1.800 Neuzugänge jährlich hat etwa die „Schule des Schreibens“ in Hamburg, deren Büros in einem alten Industriekomplex liegen und ein Institut der Hamburger Akademie für Fernstudien und Teil der Unternehmensgruppe Klett ist. Mit Anzeigen in Frauenzeitschriften und Magazinen sucht die „Schule des Schreibens“ seit 1969 in erstaunlich unveränderter Anmutung „Leser, die gerne schreiben“. „Schreiben Sie gerne? Machen Sie was draus!“ – „Es sind Menschen aus allen Berufen und Altersgruppen, der größte Teil, vielleicht 70 Prozent sind Frauen zwischen 40 und 60 Jahren“, sagt Sabine Grillo, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Im Fernstudium, das je nach gewähltem Kurs zwischen 24 und 36 Monaten dauert, werden Interessierte beraten, angeleitet und kritisch begleitet. Nach der einjährigen „Grundschule“ kann sich der oder die Lernende je nach Neigung für einen speziellen Kurs entscheiden: Belletristik, Jugendliteratur, Krimis oder Journalismus. Es ist eine seit 40 Jahren funktionierende Geschäftsidee.

„Schreiben war immer etwas, das in mir brodelte und rauswollte. Es ist für mich einfach das schönste Mittel, mich auszudrücken und kreativ zu sein“, sagt die Kinderbuchautorin Christine Fehér. „Aber im Land der Dichter und Denker muss man ja als Schriftsteller geboren werden und aus reiner Inspiration im geistigen Vollrausch Meisterwerke schaffen.“ Christine Fehér hat entschieden, sich das Handwerkszeug an der „Schule des Schreibens“ anzueignen: „Ich habe gelernt, wie man Dialoge schreibt, sodass sie die Handlung vorantreiben. An Beispielen toller Autoren, an denen ich gezielt lernen konnte, wie die ihren Text so gekonnt hinbekommen haben. Und ich habe gelernt, diszipliniert zu arbeiten.“

Auch die Journalistin, Autorin und Werbetexterin Claudia Edelmann hat sich das Wortfinden dort erarbeitet: „Ich wusste lange nicht, dass es die Möglichkeit, das Schreiben zu studieren, überhaupt gibt. Als ich einen Anbieter fand, der mir zusagte, war ich ganz glücklich, mich endlich intensiv und mit System mit dem Schreiben beschäftigen zu können.“ Claudia Edelmann hat Bücher wie „Der fliegende Delphin – Geschichten und Anekdoten aus dem alten Konstanz“ veröffentlicht.

Fehér und Edelmann haben das geschafft, wovon die meisten träumen: „Ganz im Hinterstübchen haben sie doch alle das Buch“, weiß die Dozentin Cornelia Adomeit. „Die Idee, dass sie irgendwann eine Geschichte von sich als Buch in den Händen halten.“

Karin Baseda-Maas, die Dozentin, die einst selbst die Kurse durchlief, weiß, dass „Schreiben mehr bringt als Kreuzworträtsel lösen“. Über sich selbst denke man mehr nach, zumindest die Frauen. „Sie gehen beim Schreiben tiefer in die eigenen Schwierigkeiten“, sagt Baseda-Maas. „Frauen gehen psychologischer an die Themen heran. Und sie brauchen die Bestätigung ‚Du kannst das‘.“ Die Männer hingegen stellten sich eher als Helden dar. Sie erzählten gern von heroischen Dingen.

Die Germanistin Cornelia Adomeit ist Lektorin und betreut mit 14 weiteren DozentInnen, in der Mehrzahl Frauen, seit zehn Jahren die Schreibversuche an der Schule des Schreibens. Entgegen allen kulturpessimistischen Unkenrufen vom Sprachverfall findet sie es beachtlich, wie sehr das Niveau generell gestiegen sei. „Sprache und Kommunikation sind wichtiger geworden, und damit ist auch die Wertigkeit des schriftlichen Ausdrucks gestiegen.“

In den USA wurden schon in den Zwanzigerjahren an den Hochschulen Schreibkurse in „Composition“ oder „Creative Writing“ angeboten. Man wollte damit dem Problem, dass die Studentinnen und Studenten zwar Fachwissen hatten, aber an Schwierigkeiten beim Verfassen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten scheiterten, abhelfen. Aus diesem Ansatz entwickelte sich in den USA eine regelrechte „Schreibbewegung“, die in Deutschland erst viel später ankam. „Deutschland war dabei absolutes Entwicklungsland“, sagt die Autorin und Absolventin Ulrike M. Dierkes. Sie war eine der Ersten am „Institut zur Förderung und Ausbildung des schriftstellerischen Nachwuchses“, wie die Schule in den ersten Jahren hieß. Anfang der 80er-Jahre wurde das Institut umbenannt. „Wir waren die Pioniere in Deutschland, wo man immer noch den Genies huldigt“, sagt Sabine Grillo. „Für uns ist Schreiben Handwerk.“

Mit Hohn und Spott verfolgten etablierte Schreiber Anfang der 70er-Jahre die Gründung der beiden ersten Schreibschulen in Deutschland. Etwa zeitgleich mit dem Hamburger Institut hatte sich in München eine Filiale der US-amerikanischen „Famous Writers School“ gegründet, die aber wegen finanzieller Probleme wieder schließen musste. Über die Zielgruppe der neuen Schreibinstitute stand in der Zeit im April 1971: „Frau M. ist etwa 40, Hausfrau und Mutter und randvoll von überschüssiger Energie. Für zweieinhalbtausend Mark hat sich Papa, ein vielbeschäftigter Anwalt, freigekauft: Mutter hat endlich etwas zu tun, sie wird Schriftstellerin.“ Und das Testmagazin DM vom Mai 1969 bläst ins gleiche Horn: „Deutschlands Dichtern droht Konkurrenz – von Mechanikern und Möbelpackern, Studenten und Verkäuferinnen. Vor allem aber von Witwen.“

Ein kritischer Journalist hatte zur Bewerbung am Institut einen Goethe-Text eingesandt. Der fand nur bedingt Gnade bei den Dozenten. Sie schrieben dem vermeintlichen Verfasser: „In Ihrer Erzählung erkennen wir positive Ansätze“

Ein kritischer Journalist hatte zur Bewerbung am Ferninstitut einen Goethe-Text eingesandt. Der fand nur bedingt Gnade bei den Dozenten. Sie schrieben dem vermeintlichen Verfasser: „In Ihrer Erzählung erkennen wir positive Ansätze. Was sich da an Unsicherheit im Umgang mit der Sprache und Fehlern im Aufbau geltend macht, dass können Sie mit einigem Fleiß und Liebe zur Sache – und einer systematischen Ausbildung – überwinden lernen.“ Aus der Kritik hat die Schule gelernt. Sabine Grillo, die PR-Frau, beugt überzogenen Erwartungen vor: „Nicht jeder, der unseren Lehrgang macht, wird ein Bestseller, Autor oder Literat.“

Noch keine Bestseller

Ihren handwerklich-kreativen Ansatz verfolgt die Schule des Schreibens seit mittlerweile 40 Jahren. Gut strukturiert, pragmatisch, mit methodischen Übungen versucht man, die kreativen Ressourcen des Einzelnen im geschriebenen Text zum Ausdruck zu bringen. Ob das „geschriebene Wort“ dann literarischen Qualitätsstandards entspricht, ist hier nicht die Frage. „Wir haben noch keinen Bestsellerautor zu bieten“, sagt Grillo. Dafür stehen auf dem Regal in ihrem Büro Sachbücher, Reiseführer, Romane, Biografien und erotische Literatur. Alles Werke ehemaliger SchülerInnen. Verschriftlichter Triumph der Mittelmäßigkeit? Vielleicht. Aber viele Bestseller, denen die Gunst der Stunde schlug, gepaart mit geschicktem Marketing und einer marktgängigen Idee sind nichts anderes als das.

Schreiben ist die Kulturtechnik. Daran hat sich unter den Bedingungen der digitalen Revolution nichts geändert. Warum sollte es bei all dem Simsen, Mailen, Twittern auch weniger wichtig sein, Eloquenz zu zeigen, verführerische Worte oder klare Ansagen formulieren zu können? Wer heute gehört werden will, sollte nicht wie Goethe schreiben. Vielversprechender ist Regel Nummer 7 der 15 goldenen Schreibregeln der Schule: „Gelesen wird am liebsten eine Sprache: die einfache und eingängige, die knappe und zeitsparende, die klare und deshalb unmissverständliche Sprache.“ Schreiben ist online und offline Visitenkarte, Selbstentwurf und Selbstdarstellung – auch für Mechaniker, Möbelpacker, Verkäuferinnen und Witwen.

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