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Export gesundheitsschädlicher PestizideViel Gift fürs Ausland

Ein Viertel der von Deutschland ausgeführten Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe sei „hochgefährlich“, kritisiert das Pestizid-Aktionsnetzwerk.

Ackergifte werden für das Aussterben von Insekten und Pflanzen verantwortlich gemacht Foto: dpa

Berlin taz | Ein Viertel der 2017 aus Deutschland exportierten Pestizidwirkstoffe gelten Umweltschützern als „hochgefährlich“. Das Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) teilte mit, dass 62 der insgesamt 233 ausgeführten Substanzen auf seiner Liste der hochgefährlichen „Highly hazardous pesticides“ stünden. „Darunter sind sogar solche Pestizide, die in Europa längst verboten sind, weil sie von den Behörden als zu gesundheitsgefährlich eingestuft wurden“, schreibt die Umweltorganisation in einer neuen Studie. 21 seien in dem Jahr in der Bundesrepublik nicht zugelassen gewesen.

Jährlich werden laut PAN rund 41 Millionen Menschen Opfer unbeabsichtigter Pestizidvergiftungen. Hinzu kämen nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Hunderttausende Suizide mit Ackergiften. Die Chemikalien werden zudem mitverantwortlich dafür gemacht, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aus­sterben.

Zu den exportierten Pestiziden zählen zum Beispiel die Unkrautvernichtungsmittel Cyanamid, Acetochlor und Tepraloxydim. Sie würden von der EU als krebserzeugend und gefährlich für die Fruchtbarkeit und Embryonen (reproduktionstoxisch) eingestuft. Auch das Insektengift Cyfluthrin werde ins Ausland verkauft, obwohl es akut so giftig sei, dass die WHO es in die zweithöchste Gefahrenklasse (WHO Ib) aufgenommen habe.

„Dass ein Wirkstoff wie der Wachstumsregulator Cyanamid, der seit 2008 in der EU nicht mehr erlaubt ist, weil er zu erheblichen Vergiftungen bei europäischen Anwender*innen geführt hat, noch immer in Mengen von bis zu 10.000 Tonnen aus Deutschland ausgeführt wird, ist skandalös und zeigt, dass Doppelstandards im Pestizidhandel dringend abgeschafft werden müssen“, schrieb Susan Haffmans von PAN Germany und Co-Autorin der Studie.

Ein weltweites Verbot hochgefährlicher Pestizide würde Zehntausende von Todesfällen pro Jahr verhindern. Hochgefährliche Pestizide müssten schrittweise verboten und durch nichtchemische und agrarökologische Maßnahmen ersetzt werden. Der Industrieverband Agrar, der die deutschen Pestizidhersteller vertritt, ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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7 Kommentare

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  • Wer sind die Produzenten, die daran verdienen?

    Und wer sind die Politiker, die das erlauben bzw. das Verbot verhindern?

    • 9G
      93559 (Profil gelöscht)
      @Rossignol:

      Bayer, Syngenta, BASF



      Klöckner, Altmaier, Merkel und all ihre CDU-, CSU-, FDP-, SPD-Vorgänger.

  • was glaubt ihr was nach Glyphosat kommt? eine mimimale Änderung an 1-2 Molekülen, neuer Name, und weiter gehts!

    • @danny schneider:

      Das tun/versuchen sie doch schon:



      Dicamba



      haus-und-beet.de/g...chfolger-dicamba/#



      und mehrere andere:



      "Doch jetzt liegen in Deutschland mehrere Anträge auf die Zulassung von Pestizidmischungen vor, die die neuen Insektengift-Wirkstoffe Sulfoxaflor, Cyantraniliprol und Flupyradifuron enthalten. Diese weisen eine ähnlich verheerende Wirkung wie die gerade erst verbotenen Neonicotinoide auf."



      Zu finden auf:



      www.umweltinstitut...nicht-schon-wieder



      Allen eine guten Appetit!

      • @Frau Kirschgrün:

        Aja, danke... das ist ja noch perverser:

        "Dicamba hat eine große Schwäche: Bei wärmeren Temperaturen verwandelt sich das Spritzmittel in Gas und wird vom Wind davongetragen. In Folge dessen werden komplett alle Pflanzen vernichtet, die von anderen Saatgutherstellern gekauft wurden.

        Monsanto weist jegliche Schuld von sich, behauptet, dass die Landwirte Dicamba falsch anwenden und empfiehlt den anderen stattdessen das resistente Saatgut zu kaufen."

  • Tja, nichts Neues. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.



    @Nina Janovich, schließe mich an, wieso schrittweise verbieten?



    Sofort verbieten, Ausfuhrstopp. Fettich.

  • "Hochgefährliche Pestizide müssten schrittweise verboten und durch nichtchemische und agrarökologische Maßnahmen ersetzt werden." Wieso schrittweise? Wenn bestimmte Pestizide bereits innerhalb Europas und von UN Experten als hochgefährlich eingestuft werden müssen sie sofort verboten werden. Weltweit. Nicht nur die Ausbringung sondern auch die Herstellung und der Handel. Firmen die das Verbot brechen können nur bei einem klaren Verbot auch erfolgreich angeklagt werden. Die Schrittweise bzw. mit Terminen angekündigte Umstellung wäre sinnvoll bei allen anderen bislang nicht als "hochgefährlich" eingestuften Stoffen - sprich die weltweite Umstellung hin zu einer naturnahen Landwirtschaft wie vom aktuellen UN Bericht empfohlen zur Rettung der Arten (zu denen letztendlich auch die menschliche Art gehört).