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100 Jahre und auf Weltniveau

Auf das Foto an der Wand seines Dienstzimmers ist Guido Herrmann sichtlich stolz. Darauf ist der Verwaltungsdirektor des Friedrichstadt-Palastes mit Liza Minnelli an seiner Seite zu sehen; der Weltstar war im Jahr 2007 für einen Abend im Palast aufgetreten. „Ein Glücksfall, dass wir sie bekommen haben“, sagt Herrmann bei einem Gespräch zum anstehenden Jubiläum: Der Friedrichstadt-Palast wird 100 Jahre alt, und Guido Herrmann ist Kurator des Jubiläumsprogramms. Am 29. November 1919 eröffnete mit der Premiere der „Orestie“ in der Regie von Max Reinhardt das Große Schauspielhaus – der Vorgänger des Friedrichstadt-Palastes war nicht einmal 200 Meter südwestlich vom heutigen Standort entfernt.

Die Jubiläumsfeierlichkeiten haben schon längst begonnen, denn seit Mitte September ist das Foyer auch tagsüber geöffnet, und das soll auch künftig so bleiben. Von 11 bis 17 Uhr, an den Wochenendtagen nur bis 14 Uhr, ist dort nun die kleine Dauerausstellung zugänglich, die unterteilt in sechs Epochen ein paar Schlaglichter auf die 100-jährige Geschichte der heute größten Theaterbühne der Welt wirft.

Im Archiv des Friedrichstadt-Palastes „finden wir eine Menge spannendes Material“, sagt Herrmann, „zum Beispiel erst vor Kurzem den Befehl der Propaganda-Abteilung der Sowjetischen Militäradministration“. Der wurde zur „Führung des Varieté PALAST“ ausgestellt – bereits am 29. August 1946. Das vergilbte Papier, handschriftlich auf Russisch, ist in der Foyer-Ausstellung zu sehen. Es handelt sich dabei um „Befehl Nr. 2“ – „die Nr. 1 war der Staatsoper vorbehalten“, weiß Herrmann.

Über die Geschichte desPalastes wird zu sprechen sein

„Festakt, Festschrift, Festschmaus – diesen klassischen Dreiklang für das Jubiläum wollten wir nicht“, sagt er. Deshalb durchforstet ein Archivar die historischen Hinterlassenschaften im Haus und auch anderswo. Ein Ergebnis sind die „Momentaufnahmen“ auf der Palast-Homepage, historische Notizen in Schrift und Bild, die sukzessive fortgesetzt werden – „daraus soll eines Tages ein umfassendes Online-Archiv entstehen“. Und beginnend mit der Spielzeit 2019/20 startet eine Reihe von Veranstaltungen, wie etwa eine Fotoausstellung über prägende Frauen in der Geschichte des Hauses, ein Kinder- und Jugendfest und auch eine kostenlose Vorstellung „als Dank an die Berlinerinnen und Berliner“.

Natürlich wird auch über das alte Haus und seine Historie in Zeiten der Weimarer Republik und in der Nazi-Diktatur, nun als „Theater des Volkes“, zu sprechen sein. Und über die wechselvollen DDR-Jahre – seit 1947 als Friedrichstadt-Palast firmierend – sowie die Schließung des alten Baus 1980 und noch mehr über den Palastneubau, weil dieser sich nach fast dreijähriger Bauzeit und seiner Eröffnung am 27. April 1984 schnell zu einer Weltsensation mauserte.

Denn der Friedrichstadt-Palast bietet bis heute lauter Superlative: Mit 2.854 Quadratmetern bespielbarer Gesamtfläche die größte Theaterbühne der Welt, aus der Unterbühne lässt sich ein zwei Meter hohes Wasserbecken mit einem Fassungsvermögen von 140.000 Litern ausfahren, es gibt eine riesige Eisfläche, ein aus 60 Tänzer*innen bestehendes Ballett und mit 32 Tänzerinnen die weltlängste Girlreihe – auch Kickline genannt.

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