„Es findet sich sehr viel Müll an deutschen Stränden“

Dorothea Seeger vom BUND-Büro in Bremen koordiniert die Müllsammel-Aktionen an deutschen Stränden

Foto: Birgit Wingrat

Dorothea Seeger, 37, ist Meeresbiologin und Meeresmüll-Expertin im BUND Meeresschutzbüro in Bremen.

Interview Carlotta Kurth

taz: Frau Seeger, der BUND ruft regelmäßig zu Strandmüllaktionen auf. Wie viel Müll kommt da so zusammen?

Dorothea Seeger: Das kommt darauf an, wie viele Leute auf welcher Strecke im Einsatz sind. Wir machen beispielsweise regelmäßig Müllsammelaktionen auf den Ostfriesischen Inseln, gerade in den Bereichen, wo sonst nicht gereinigt wird. Dort haben wir schon mal mehrere Tonnen innerhalb von zwei bis drei Stunden mit etwa 40 Freiwilligen gesammelt.

Das klingt nach viel Müll. Ist das normal an deutschen Stränden?

Es findet sich immer noch sehr viel Müll an deutschen Stränden. Die offiziellen Zahlen vom Umweltbundesamt liegen bei knapp 400 Müllteile auf 100 Meter Nordseestrand. Bei der Ostsee sind es nur 50 Müllteile auf 100 Meter Strandabschnitt. Was eingesammelt wird, sind zum einen Sachen, die an dem Strand von BesucherInnen liegengelassen worden sind. Teilweise sind es aber auch Müllteile, die dort hin geschwemmt worden sind, wie beispielsweise Fischernetze oder Müll, der über die Flüsse eingetragen wird.

Ist das alles Müll, den wir selbst produziert haben?

In der Regel schon. Das, was man dort findet, sind Verpackungen, Einwegplastik, Getränkebecher, PET-Flaschen, Strohhalme und Wattestäbchen. Aber auch Luftballons, die bei Feierlichkeiten in die Luft entlassen werden und dann an den Stränden landen. Zum Großteil ist es also Müll aus Deutschland, den man dort findet. Manchmal findet man Aufdrucke, wo klar ist, dass die Dinge nicht aus Deutschland stammen, sondern aus England oder von weiter her. Sie wurden entweder über die Strömung verteilt oder sind von einem Schiff gefallen.

Kann man durch die Funde am Strand Rückschlüsse ziehen auf den Plastikmüll am Meeresboden?

Ein Teil des Mülls sinkt auf den Meeresboden, ein Teil bleibt an der Wasseroberfläche und treibt dort oder wird an die Strände geschwemmt. Es kommt darauf an, wie lange der Müll dort schon ist und aus welchem Material er zusammengesetzt ist. Bei den Sammelaktionen kann man in der Regel nur den Trend an den deutschen Stränden sehen und das grob übertragen. Direkte Rückschlüsse, wie viel am Meeresboden liegt, können daraus aber nicht gezogen werden.

Seit über 30 Jahren findet jeden September der „internationale Küstenputztag“ statt. Können durch solche Säuberungsaktionen die Strände überhaupt dauerhaft gereinigt werden?

Nein, letztendlich sind die Aktionen dafür da, um ein Bewusstsein zu schaffen, um Aufmerksamkeit zu generieren, das Verhalten zu ändern und sich an die Politik zu wenden, um weiterhin klar zu machen, dass da was passieren muss. Aber trotzdem ist jedes Teil, was aufgesammelt wird, ein Teil weniger, an dem Tiere sich verletzen, das sie fressen können oder das zu Mikroplastik zerfällt und lange Zeit in der Umwelt bleibt.