piwik no script img

Nachruf auf Rudi GutendorfDer bunte Hund ist tot

Er trainierte 54 Vereine und schrieb drei Bücher über sein Leben: Am Samstagabend ist Trainerlegende Rudi Gutendorf gestorben.

54 Vereine trainierte er und kam dabei um die Welt: Trainerlegende Rudi Gutendorf Foto: imago images/Sven Simon

Eine der 54 Trainerstationen, die Rudi Gutendorf in seinem Leben innehatte, war die des Nationaltrainers von Chile. 1972/73 war er da, als das Land unter einem sozialistischen Präsidenten Hoffnung auf eine bessere Zukunft schöpfte. Über diesen Salvador Allende schrieb Gutendorf: „Ein biederer, gutmütiger Landarzt versucht sich als Veränderer eines Systems. Ich mag ihn vom ersten Moment an.“

Als Allendes Unidad Popular vom Militär weggeputscht wurde, musste auch Gutendorf das Land verlassen. „Es kann Ihr Tod sein“, habe der deutsche Botschafter ihm gesagt, „Revolutionen machen vor einem Nationaltrainer keinen Halt!“ Für Gutendorf war es ein sportliches Scheitern. So nah wie in Chile kam Gutendorf nie einer WM: Chile nahm ohne ihn am Turnier 1974 in Deutschland teil.

Als Spieler war der 1926 in Koblenz geborene Gutendorf immer bei einem Verein geblieben, dem TuS Neuendorf. Als Trainer aber kam er um die Welt rum: Nationalteams von Grenada und Tonga, von Nepal und Antigua und Barbuda, von Fidschi und Iran, und auch China war dabei. Klubs wie die St. Louis Stars aus den USA, Sporting Cristal in Peru oder den FC Yomiuri in Japan. Gutendorfs letzte Trainerstation war ein Team, in dem Menschen kickten, die nach Deutschland geflüchtet waren.

Herr Gutendorf, was Sie erlebt haben, ist einfach einmalig! Das müssen wir veröffentlichen

Axel springer, Zeitungsverleger

Auch in der Bundesliga war Gutendorf präsent: Bei Klubs wie dem MSV Duisburg, VfB Stuttgart, Schalke 04, Hertha BSC oder dem Hamburger SV versuchte Gutendorf als „Riegel-Rudi“ Fußballtaktikgeschichte zu schrei­ben, was nur bedingt gelang: Aus der Defensive heraus das Spiel machen, so dachte sich Gutendorf das. Es hatte Gründe, dass er nie lange bei einem Klub oder einem Verband blieb.

Drei Autobiografien hat Gutendorf vorgelegt, zuletzt „Machen Se et jut“, der Titel ist ein Adenauer-Zitat, davor „Mit dem Fußball um die Welt“ und bereits 1987 „Ich bin ein bunter Hund“. Inspiriert habe ihn Axel Springer. „Herr Gutendorf, was Sie erlebt haben, ist einfach einmalig! Das müssen wir veröffentlichen.“

Am Samstagabend ist Rudi Gutendorf 93-jährig im Kreis seiner Familie gestorben.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!