Widerstand gegen AfD-Veranstaltung: Ein Dorf in Aufruhr
Die AfD-Frontfrau Beatrix von Storch kommt am Freitag zum „Bürgerdialog“ in das niedersächsische Schwagstorf gereist. Willkommen ist sie nicht.
„Das ließ sich nicht verhindern“, sagt Rainer Ellermann (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Ostercappeln. „Die AfD hat uns die Wahl gelassen, an welchem Tag sie kommen kann, mit einigen Monaten Vorlauf.“ Eine Situation, mit der bereits viele Kommunen umgehen mussten. „Mir wäre es am liebsten, die Veranstaltung würde bei uns nicht stattfinden“, sagt Ellermann. Aber: „SPD und CDU haben hier ja ebenfalls schon Veranstaltungen durchgeführt. Und die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei.“ Da ist die aktuelle Rechtsprechung eindeutig, auch die AfD muss kommunale oder städtische Räume mieten dürfen. „Eine Kommune darf da nicht tricksen. Wenn frei ist, ist frei“, sagt Ellermann.
220 Plätze fasst der Teil der Halle, den die AfD über ihren Kreisverband Osnabrück in Schwagstorf gemietet hat. Auch Beatrix von Storch wird hier am Freitag sprechen, die Vizechefin der AfD-Bundestagsfraktion. Storch dürfte an die Region allerdings keine guten Erinnerungen haben nach ihrem kläglichen Wahlkampfauftritt auf dem Osnabrücker Marktplatz im April 2017, vor gerade einmal rund drei Dutzend AnhängerInnen, umringt von Tausenden GegendemonstrantInnen.
„Ostercappeln ist weltoffen“, sagt Ellermann. „Seit Jahrzehnten haben wir bei uns Migranten aufgenommen – und das gern.“ Die Menschen hier seien „keine Freunde der Gedanken der AfD“, aber die Vermietung der Halle sei eben „ein ganz normales Geschäft, sofern etwas normal sein kann an einem Geschäft mit der AfD“. Und nun gelte es, „Unruhe zu vermeiden“.
Rainer Ellermann, Bürgermeister der Gemeinde Ostercappeln
Für Unruhe sorgt Ellermann allerdings selbst. Erst vor wenigen Tagen hat er die Schwagstorfer über den „Bürgerdialog“ informiert. Den Gegnern der AfD-Veranstaltung bleibt daher kaum Zeit, Proteste auf die Beine zu stellen. Für noch mehr Unmut sorgt, dass Ellermann selbst eine Veranstaltung gegen die AfD angemeldet hat. Auf dem Kirchplatz von St. Marien, unweit der Halle, und zwar im Namen des Gemeinderats und der Ortsräte – mit sich selbst als Hauptredner.
Eine große Sache wird das „eher nicht“, sagt der Bürgermeister und rechnet mit vielleicht rund 300 TeilnehmerInnen. Eine öffentliche Diskussion zu dieser offiziellen Gegenveranstaltung habe es nicht gegeben, so die Kritik. Viele stört auch, dass das Ganze zu Ende sein wird, noch bevor die AfD den Ort wieder verlassen hat.
Ellermann warnt in der Einladung zur Demo unter Bürgermeister-Briefkopf vor „Störaktionen“ etwa von Gewerkschaften oder Verbänden. „Die AfD ist hier ja nicht der Störer“, sagt Ellermann auf Nachfrage der taz. „Die haben an Stress kein Interesse. Aber man muss fürchten, dass von der Gegenseite Chaoten kommen. Leute, die nur Krawall wollen.“
Die Schwagstorfer organisieren nun aber auch ihren ganz eigenen Protest. Am Kreisverkehr, direkt an der Einmündung zur Marienkirche und zur Veranstaltungshalle, hängt ein Banner: „Wir reden Klar.Text. Wir sind bunt!“, steht da drauf. Es kommt von der Kirchengemeinde. Und am Dienstagabend haben sich Gegner der AfD-Veranstaltung auf der Diele eines Hofs kurz vor Schwagstorf getroffen.
Bauern aus dem Ort und aus den Nachbargemeinden sitzen ebenso am Tisch wie Gruppen aus Osnabrück, die um Unterstützung gebeten worden sind. Sie stellen ihre Expertise, ihre Kontakte und ihr Equipment bereit. Mitglieder der Jusos, der grünen Jugend, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend bis zur Linksjugend solid sind da. Auch DGB-Vertreter sind dabei und solidarisieren sich.
Bettlaken-Banner im Einsatz
Sonja Hellbaum ist Landwirtin in Schwagstorf, sie ist auch zur Mobilisierungsveranstaltung auf den Hof gekommen. „Wenn sich Menschenverachtung zeigt, überschreitet das für mich eine Grenze“, sagt sie. Sie wird ein Bettlaken-Banner zum Einsatz bringen: „Alle Menschen sind Ausländer, irgendwo! Alle Rassisten sind Arschlöcher, überall!“ Das soll da draufstehen.
Henning Aumund, ebenfalls Landwirt, sagt: „Ist doch Bürgerpflicht, dagegen aufzustehen. Wir sind ein nettes Dorf. Und wir wollen uns nicht nachsagen lassen: Die AfD war da, und ihr habt nichts getan.“ Aumund sorgt sich auch um den Ruf der Veranstaltungshalle: „Die ist ja ein Gemeinschaftswerk von uns. Und jetzt findet da so eine Scheiße statt.“
Für die AfD ist die Region Osnabrück ohnehin seit jeher ein eher hartes Pflaster. Ihr Kreisverband ist schwach und zerstritten, bei der Bundestagswahl hat die AfD in der Stadt Osnabrück nur 6,3 und im Landkreis 7,3 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Und gegen ihre öffentlichen Auftritte in der Region formiert sich jedes Mal massiver Widerstand. Jetzt reiht sich auch das kleine Schwagstorf in den Widerstand ein.
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