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Neue Regierung im SudanAufbruch in eine Ära der Hoffnung

Die Einsetzung einer Übergangsregierung im Sudan markiert den Vollzug der Revolution gegen die Bashir-Diktatur. Jetzt müssen die Zivilisten liefern.

Frauen spielten eine führende Rolle bei den Protesten – im Kabinett sind immerhin vier vertreten Foto: imago images/xinhua

Nairobi taz | Zum ersten Mal in der Geschichte Sudans sind Frauen prominent in der Regierung des Landes vertreten. Die neue Übergangsregierung des neuen Premierministers Abdalla Hamdok, die am Wochenende ihre Ämter aufnahm, zählt vier Ministerinnen. Im Souveränen Rat aus Zivilisten und Militärs, die höchste Macht im Land, sind zwei der elf Mitglieder Frauen.

Frauen spielten bereits eine wichtige Rolle in den monatelangen Protesten im Sudan – erst gegen die Diktatur des Langzeitpräsidenten Omar Hassan al-Bashir und dann, nachdem Bashir im April gestürzt wurde und ein Militärrat die Macht übernahm, gegen die Generäle und für die Einsetzung einer Bürgerregierung. Die Demonstrationen wurden öfters blutig auseinandergeschlagen, wobei Hunderte von Zivilisten ums Leben kamen. Trotz der Gefahr blieb die führende Rolle der Frauen erhalten.

Asmaa Abdalla ist jetzt die erste Außenministerin in Sudan. De 73-Jährige hat bereits früher im Außenministerium gearbeitet, aber wurde gefeuert, als Bashir 1989 an die Macht kam. Sie ging nach Marokko. Zuletzt schloss sie sich der Oppositionskoalition FCC (Forces of Freedom And Change) an, die die Proteste in den vergangen sieben Monaten organisierte.

Noch keine 24 Stunden im Amt, forderte die neue Außenministerium bereits die USA auf, Sudan von der US-Liste der Terrorunterstützer zu streichen. Die USA hatte Sudan 1993 auf diese Liste gesetzt, weil die Bashir-Regierung unter anderen Al-Qaida-Führer Osama bin Laden jahrelang Unterschlupf gewährt hatte. Die Terrorbezeichnung schloss Sudan aus Schuldenerlassen und Finanzhilfen internationaler Institutionen aus und begrenzte mögliche Auslandsinvestitionen.

Die Aktivistin Walaa al-Bushi ist Ministerin für Jugend und Sport, Intisar Saghyroun ist die Chefin des Ministeriums für höhere Bildung. Eine schwierige Position hat Lina al-Sheikh bekommen mit dem Ministerium für Gewerkschaften und soziale Entwicklung. Gewerkschaften waren ein wichtiger Bestandteil der Protestbewegung, die sich im Dezember 2018 an rapide steigenden Preisen und sich verschlechternden Lebensbedingungen entzündete, aber es mangelt an Arbeitsplätzen in Sudan – vor allem für die Jugend. Die Arbeitsbedingungen derjenigen, die bezahlte Arbeit haben, sind oft sehr schlecht.

Ende für alte Gewohnheiten

Der Souveräne Rat zählt zwei Frauen. Die Frauenrechtlerin Aisha Mousa ist eine der fünf Zivilisten im Rat. Unter den fünf Militärs gibt es keine Frau, aber das elfte Mitglied, auf das beide Seiten sich einigen mussten, ist Rajaa Abdelmaseeh – eine Richterin, die mehr als 30 Jahre für das Justizministerium gearbeitet hat. Sie ist eine koptische Christin, eine Besonderheit in einem überwiegend islamischen Land.

Mit der Beförderung von Frauen schlägt Sudan neue Wege ein. Premierminister Hamdok hat auch anderen alten Gewohnheiten ein Ende gesetzt. Unter Bashir flossen rund 80 Prozent des Staatshaushaltes an die Armee und paramilitärische Milizen. Das will Hamdok schnell ändern: „Das Geld wird dann an Gesundheit und Bildung gehen“, versprach er. Damit zieht er schon in den Streit mit den Militärs im Souveränen Rat, die sicher alles tun werden, um eine Umschichtung des Staatshaushaltes zu verhindern.

Als Grund für die großzügige Alimentierung der Streitkräfte hatte Bashir früher die ethnischen Konflikte Sudans angeführt. Hamdok will nun eine Friedenskommission zusammenstellen, die sich speziell mit den Konflikten befasst, zum Beispiel in Darfur.

Die Regierung kommt nicht zu Geld

Allzu weit wird Hamduk das Militär allerdings nicht herausfordern können. Die Übergangsregierung ist Ergebnis eines Kompromisses, nachdem Militär, politische Parteien und protestierende Gruppen vorigem Monat ein Abkommen über eine drei Jahre dauernde Machtteilung im Land erzielten. Diese Zeit bleibt dem neuen Regierungschef, um das Leben der Sudanesen zu verbessern.

Um das zu schaffen und das Land aus der Krise zu holen, ist der neue Finanzminister Ibrahim Elbadawi, ein ehemaliger Ökonom bei der Weltbank, die Schlüsselfigur. Durch die bisherige schlechte Wirtschaftspolitik und die immense Korruption im Land ist es schwierig für die neue Regierung, an Geld zu kommen, um Grundbedürfnisse wie Benzin und Mehl bezahlen zu können.

„Wir müssen in der kurzen Zeit die Preise von Grundnahrungsmitteln stabilisieren und die Lebenshaltungskosten senken“, sagte Elbadawi nach seiner Vereidigung. „Wir sind zwar politisch und emotional frei geworden, aber wir werden wirtschaftlich noch immer unterdrückt.“

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