Umstrittene Entscheidung in Indien: Plötzlich ausgebürgert
Mit einem Schlag hat die indische Regierung Millionen Einwohnern die Staatsbürgerschaft entzogen. Betroffen sind vor allem Muslime.
Rund 1,9 Millionen Menschen konnten das nicht. Ihre Namen fehlen jetzt im Register. Nach Recherchen der Zeitung Indian Express könnten im Brahmaputra-Tal eine große Zahl von Muslimen ausgeschlossen werden, in der Region Barak auch Hindus. Und die sind jetzt sauer auf die Regierung. Sie dachten, Indien sei sicher für sie. Immerhin bleiben allen 120 Tage Zeit, das Urteil überprüfen zu lassen.
Für Hindus, Christen und Sikhs dürfte es nicht so hart werden, immerhin liegt für sie bereits ein Einbürgerungsgesetz in der Schublade, das nichtmuslimische Zuwanderer aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan künftig offiziell zu Inder*innen machen soll.
Doch was ist mit den betroffenen Muslim*innen? „Diese Reglung trifft vor allem Menschen, die nicht gut ausgebildet sind und als Haushaltshilfen oder Fahrer arbeiten“, sagt Nasir*, der seinen Namen nicht nennen möchte. Auch wenn seine Familie den Bescheid über das Bleiberecht schon früher erhalten hatte. Der Aktienhändler vermutet, dass die Zahl der muslimischen Wähler gezielt verkleinert werden soll, die den pro-hinduistischen Kurs der Regierungspartei nicht unterstützen. Bangladesch sei einer der wenigen Indien gut gesonnenen Nachbarn, der geblieben ist. Deshalb verstehe er das Handeln der Regierung noch weniger.
Modi löst Wahlversprechen ein
Anderseits ist die Partei des hindunationalistischen Premierministers Narendra Modi nach ihrer überragenden Wiederwahl stärker denn je, und seine hindunationalistische Volkspartei BJP löst jetzt ihre Wahlversprechen ein. Nachdem der muslimisch geprägten Region Kaschmir kürzlich der autonome Sonderstatus entzogen wurde, ist jetzt mit Assam der Bundesstaat mit der zweithöchsten muslimischen Bevölkerung an der Reihe. Dafür wurde ein Gesetz von 1985 reaktiviert, das aus Zeiten einer Regierung der Kongresspartei stammt. Damals fühlten sich viele Assamesen durch zunehmende Migration nicht mehr heimisch. Ein altes Problem, mit dem die BJP bei den letzten Regionalwahlen punktete.
Innenminister Amit Shah überlegt, die Regelung auf ganz Indien ausweiten. Doch bleibt abzuwarten, was nun in Assam passiert. Ein Sprecher des Außenministeriums beteuerte, dass es keine Abschiebungen geben werde, solange Rechtsmittel nicht ausgeschöpft seien. Dazu fehlt ein Abkommen mit Bangladesch. Doch indische Pendants zu Ankerzentren werden bereits gebaut.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen