Fragwürdige Biermarken: Oi, was für ein Name
Immer öfter stößt man auf Biernamen, die einfach nur gaga sind oder die man gar nicht in den Mund nehmen will. Viele sind sexistisch und rassistisch.
C raftbrauer haben einen seltsamen Humor. Sie sehen sich als Kreativarbeiter, und das drückt sich oft auch auf dem Etikett aus – im Design, noch mehr aber beim Namen. In den USA sind gerade fast psychedelische Farbkombinationen angesagt, die Biere tragen Titel, die an Liedzeilen erinnern. „I Wanna Dance Wit Somebody“ heißt ein Weißbier aus Texas, „Haircuts for Everyone“ ein IPA, ein India Pale Ale aus Connecticut. Mag lustig sein, macht praktisch aber Probleme, etwa beim Bestellen.
In Europa geht es längst genauso zu. Manchmal eröffnen die Namen noch so was wie Assoziationsräume zur Entstehung und Geschichte der Biere: „Trainingslager“ oder „Beverly Pils“ von der Hannoveraner Brauerei Mashsee sind Namen, mit denen ich etwas anfangen kann. Mit dem Trainingslager, ihrem ersten Bier, haben die Brauer ausprobiert, ob sie ankommen.
Häufiger findet man jedoch Bezeichnungen, die einfach nur gaga sind oder die man gar nicht in den Mund nehmen will. Vor allem bei IPA ist das der Fall. Dieses stark gehopfte, helle Ale ist der weiße Turnschuh unter den Craftbieren: Jeder muss es brauen. Und inzwischen gibt es so viele IPAs, dass sich wenigstens dem Namen nach abgrenzen muss, was geschmacklich nicht auf sich aufmerksam machen kann.
In Großbritannien hat das vor Kurzem zu einer Debatte geführt, weil auffiel, dass Brauereien auf dem Etikett immer sexistischer werden. Mit Bezeichnungen wie „Bitch Please“, „Naughty Girl“ oder „Legspreader“, übersetzt: Beinspreizer. Auf dem größten Bierfestival Anfang August in London verbaten die Organisatoren sich derart sprachliches Gebräu.
Es geht aber noch ärger, und dieser Fall stammt aus Deutschland. Die Hamburger Brauereien Simian und Buddelship, die ich eigentlich beide schätze, haben ein sogenanntes Kollaborationsbier gebraut. Es soll eine Hommage an das Heimatland des Simian-Brauers sein, der aus Oxford stammt. Entsprechend wurde Hopfen und Malz von der britischen Insel verwendet. Es ist – natürlich – ein IPA und, um es gleich vorweg zu sagen, ein ziemlich durchschnittliches: Für meinen Geschmack hat es zu viel Kohlensäure und ist zu wenig fruchtig in der Bitterkeit, dafür leicht zu süß.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Vielleicht würde mein Urteil milder ausfallen, wenn ich nicht vorher das Etikett gelesen hätte: EU-Thanasia steht da. Mich hat der Name spontan an eine ehemalige rechtsextreme Band erinnert, Oithanasie. Gedacht ist der Biername als politischer Kommentar auf das aktuelle Brexit-Geschehen. Tatsächlich ist er aber einfach ein ziemlich dämliches Wortspiel mit einem Nazi-Begriff.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos