piwik no script img

Benachteiligung von FrauenGerechtigkeit in weiter Ferne

Hamburg veröffentlicht seinen ersten Gleichstellungsmonitor. Die Grünen und der Landesfrauenverband begrüßen das, die Linke will noch mehr.

Bis zur Befreiung vom Patriarchat ist es noch ein weiter Weg Foto: dpa

Hamburg taz | Es steht schwarz auf weiß da, was schon lange bekannt ist: Frauen sind nicht gleichberechtigt. Seit gestern ist der erste Hamburger Gleichstellungsmonitor online. Von Bevölkerungszahlen in den einzelnen Stadtteilen bis zum Gender Pay Gap ist alles berücksichtigt. Der Senat zeigt in seinem Projekt mithilfe von 48 Indikatoren, in welchen gesellschaftlichen Bereichen Frauen immer noch benachteiligt werden und wo Verbesserungen zu verzeichnen sind. Die Daten dafür wurden von der Gleichstellungsbehörde und dem Statistikamt Nord zusammengetragen.

Das Online-Tool soll anschaulich aufzeigen, was politisch noch für die Gleichstellung getan werden muss. Die derzeit aktuellsten Zahlen des statistischen Landesamtes sollen fortlaufend aktualisiert werden.

Sehr präsent ist die ungerechte Bezahlung des weiblichen Geschlechts: 2017 lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst der Frauen 20 Prozent unter dem der Männer. Zudem nahm der Anteil der Frauen, die Vollzeit arbeiten, seit 2008 um sechs Prozent ab, während die weiblichen Teilzeitbeschäftigten mehr wurden.

Deutlich wird außerdem die fehlende Repräsentation der Frauen in Führungsrollen, wie etwa mit nur einem Drittel Senatorinnen in der derzeitigen Regierung. Dagegen sind sie mit 88 Prozent im Jahr 2018 in der Kinderbetreuung überpräsent – und seit 2008 steigt die Anzahl der weiblichen Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen.

Divers wird vergessen

Geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten lässt sich in den Auszubildendenzahlen nach Fachrichtung erkennen: Frauen wählen in großer Mehrheit medizinische Ausbildungsberufe, wie etwa den der Krankenschwester. 2017 waren es 76 Prozent. In technischen Berufen lassen sich dagegen nur 13 Prozent ausbilden. Auch Handwerksberufe erlernen lediglich 22 Prozent, in der Industrie und im Handel sind es mit 39 Prozent etwas mehr, die beiden Berufe wurden allerdings auch zusammengezählt.

„Dass die vollständige Gleichstellung längst noch nicht erreicht ist, das ist kein abstraktes Gefühl, das ist Fakt“, sagt Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Das wolle sie ändern. Die Datenlage zur Situation der Hamburgerinnen und Hamburger biete dafür eine Grundlage, auf die man aufbauen könne. Auch Mareike Engels, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, sieht das detaillierte Monitoring als Chance: „Es hilft uns, herauszufinden, wo die Gleichstellung in Hamburg im Argen liegt.“

So seien etwa die Daten auf sozialräumlicher Ebene von Interesse, um sich anzuschauen, welche Familienmodelle in welchen Stadtteilen vorherrschen. „Daran können wir uns orientieren, wenn es etwa um darauf aufbauende Unterstützungsmodelle geht“, sagt Engels. Der Gleichstellungsmonitor biete eine neue Gelegenheit, sich mit dem Thema Gleichstellung auseinanderzusetzen. „Diese Möglichkeit ist ein Prozess, der ein Umdenken fordert. Das sollte genutzt werden“, sagt Engels.

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Cansu Özdemir, erkennt zwar eine wichtige Grundlage, sieht aber bereits Nachholbedarf: „Inter* und Trans* finden keine Berücksichtigung, weder in der abgebildeten Datenlage noch in der sprachlichen Ausgestaltung des Berichts werden sie sichtbar“, sagt sie in einem Statement. Ihre Partei fordert zudem ein Parité-Gesetz.

Der Landesfrauenrat Hamburg hatte zwar zunächst den Namen „Frauenreport“ für das Projekt gefordert, begrüßt den Datenpool aber auch unter dem jetzigen Namen. „Der Monitor ist leicht verständlich und damit für jeden nutzbar“, sagt Cornelia Creischer vom Landesfrauenrat. Das sei zwar nur der Anfang, „aber damit können wir Druck auf Politiker ausüben, die sich bis dato vor der Realität der Frauen geduckt haben“, sagt sie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Schön, dass im Artikel auf "geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten" hingewiesen wird. Sonst wird ja leider allzuoft ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit behauptet, wenn mal nachgefragt wird, was die "mangelnde "Gleichstellung" denn konkret bedeutet.

  • Zitat: „‘Dass die vollständige Gleichstellung längst noch nicht erreicht ist, das ist kein abstraktes Gefühl, das ist Fakt‘, sagt Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Das wolle sie ändern.“

    Hoppla! Hat sie sich das auch richtig überlegt, die gute Frau? Ich meine: Müssten nicht eigentlich die Frauen selber etwas ändern, wenn sie denn wirklich gleichgestellt sein wollten? Was heißt es für die Emanzipation, wenn sie wieder "geholfen werden" müssen?

    Wenn es nach „männlicher Logik“ ginge, müssten Frauen bloß Männerberufe wählen, schon würden sie viel besser bezahlt: nicht Krankenschwester oder Kita-Tante, sondern Chirurgin und Dozentin an der Universität also, nicht Putzfrau sondern Technikerin, Handwerkerin, nicht an die Lidl-Kasse, sondern in die Exportwirtschaft, dann klappst auch mit dem Männerlohn. Und überhaupt: Wer Teilzeit arbeitet, ist selber Schuld.

    Was will Frau Fegebank dann dagegen tun, dass Frauen lieber Halbtags arbeiten in ihren Jobs, weil sie gern Zeit für ihre Kinder haben (oder für ihre Schwiegereltern)? Was will sie tun, wenn Frauen lieber Kinder auf das Leben vorbereiten, als noch mehr stinkende Rostlauben zu bauen? Will sie die Frauen an das Fließband prügeln? Will sie so lange lästern über sie, bis sie sich schämen, nicht wie Männer zu entscheiden? Das wäre nichts, was mir zum Stichwort Frauensolidarität einfällt.

    Frau Fegebank könnte beispielsweise einen Einheitslohn zur Sprache bringen, der keinen Unterschied gelten lässt zwischen rein materieller und sozialer Kreativität. Das fiele mir zum Thema ein. Sie wird sich hüten, denke ich. Das wär nämlich viel zu viel für manchen großen, starken Kerl. Das könnte mancher Mann sich ganz unmöglich bieten lassen. Und dass die Frauen so etwas zu schätzen wüssten, steht auch nicht so ganz fest. Was aber nützt Frau Fegebank, wenn sie nicht länger das Sagen hat? Wem hilft sie dann im Sinne seiner Gleichstellung? Nicht mal sich selbst! Von Trans* und Inter* ganz zu schweigen.