piwik no script img

Salzburger FestspieleIm Dampfkessel

Theresia Walsers neues Stück „Die Empörten“ will schwarze Provinzsatire und politisches Sittenbild zugleich sein.

Caroline Peters als Bürgermeisterin in Theresia Walsers „Die Empörten“ Foto: Ruth Walz

Kaffeefilter und Titanhüften aus Irberstheim sind in der Welt ungefähr so beliebt wie deutsche Autos vor dem Dieselskandal. Also sehr. Dass trotz eines anhaltenden Arbeitskräftemangels auch in der tiefsten Provinz des Wirtschaftswunderlandes BRD weiterhin prima produziert werden kann, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Bürgermeisterin der kleinen Kommune Irberstheim von „meinen Flüchtlingen“ spricht und neu ankommenden Migranten sofort einen Arbeitsplatz beschafft. Eigentlich ein ziemlich cleveres sozialpolitisches Geschäftsmodell.

Corinna Schaad, so nennt Theresia Walser die Heldin ihres neuen Theaterstückes „Die Empörten“, wandelt auf den Spuren von Angela Merkels „Wir schaffen das“. Da kann es nicht ausbleiben, dass sie Wähler an die AfD verliert. Die Bedrohung ist konkret, heißt Elsa Lerchenberg und wartet mit rassistischen Sprüchen auf. Als dann auch noch ein Unbekannter mit dem Ruf „Allahu Akbar“ in eine Menschengruppe rast, läuft die Blut-und-Boden-Prophetin zur Hochform auf.

Theresia Walser will, dass die Bürgermeisterin und ihre Konkurrentin genau in dieser Situation aufeinandertreffen. Schauplatz ist ein Provinzrathaus. Mit von der Partie sind der Bruder und der engste Mitarbeiter der Bürgermeisterin, die Gattin des einzigen Todesopfers beim Anschlag – und: der tote Selbstmordattentäter. Der ist zu allem Überfluss auch noch ein Halbbruder der Bürgermeisterin.

Walser schraubt das Ganze in Richtung einer schwarzen Satire aus der ländlichen Mitte Deutschlands weiter. Das Todesopfer des Anschlags ist ein in Deutschland geborener Muslim, dessen Frau nun zur Trauerfeier im Rathaus auftaucht, während der enge Mitarbeiter der Bürgermeisterin nebenbei Reden für die AfD-Apokalyptikerin schreibt. Das alles will derart entschieden eine Metapher der aktuellen Situation in Deutschland sein, dass man ziemlich gespannt ist, wie das auf der Bühne funktionieren soll.

Inszenierung einer starren Versuchsanordnung

Die Uraufführung von „Die Empörten“ ist eine Koproduktion des Staatsschauspiels Stuttgart mit den Salzburger Festspielen. Inszeniert hat Burkhard C. Kosminski, der seit einer Spielzeit ziemlich erfolgreich das Stuttgarter Staatsschauspiel leitet und zuletzt alle Uraufführungen neuer Walser-Stücke besorgt hat. Gespielt wird in einem Amtszimmer (Bühne: Florian Etti) mit viel dunklem Holz. Im Hintergrund gibt es Projektionen schöner Berglandschaften und heimeliger Provinzdörfer.

Das erinnert an die Kultserie „Mord mit Aussicht“, deren Hauptdarstellerin Caroline Peters die Bürgermeisterin spielt. Peters ist Ensemble-Mitglied am Wiener Burgtheater und so mit ironischem Witz begabt, dass sie schon mehrfach als Schauspielerin des Jahres ausgezeichnet wurde. Hier sorgt sie dafür, dass Walsers Provinzsatire sich nicht zu zäh in die Länge zieht. Sie spielt eine überdrehte Politikerin, die nur noch Wahlen gewinnen will.

Walser schreibt ansonsten eher mit einer feineren Feder und legt ihre Stücke existenzialistisch tiefgründiger an. In „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ zum Beispiel versammelte sie ehemalige Diktatorengattinen auf der Bühne und ließ sie im Suppentopf ihrer Eitelkeiten schmoren. Die Figuren in „Die Empörten“ allerdings sind einem derart hohen Druck im Dampfkessel des politischen Überlebenskampfes ausgesetzt, dass sie wie festgewurzelt auf einem schnell fixierten Empörungslevel verharren und Kosminski wohl dachte, dann inszeniere ich doch gleich eine starre Versuchsanordnung.

Anke Schubert spricht die Texte der Muslimin Achmedi, als sei es eine Pflichtaufgabe, während Silke Bodenbender der Elsa Lerchenberg den gebremsten Charme einer Alice Weidel in der Spendenentzugsklinik gönnt. Lediglich André Jung spielt den Adlatus der Bürgermeisterin so, dass man den Eindruck hat, das Ganze könnte als Dialog dieses ungleichen Paares wesentlich besser funktionieren: hier die meinungsstarke Bürgermeisterin mit Napoleon-Komplex, dort ein verhuschter Butler mit diabolischen Zügen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!