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Informationen über Abtreibungen„Die Liste ist keine große Hilfe“

Steht der Kompromiss zu §219a wieder auf der Kippe? SPD-PolitikerInnen wie Johannes Fechner kritisieren die gerade veröffentlichte Ärzt*innenliste.

Demonstrant*innen fordern am 8. März in Berlin: „Weg mit 219a“ Foto: dpa

Berlin taz | Rund ein halbes Jahr nachdem Union und SPD sich auf eine Reform des Paragrafen 219a geeinigt haben, könnte der Kompromiss wieder auf der Kippe stehen. Gerade hat die Bundesärztekammer eine Liste mit Ärzt*innen veröffentlicht, die Abbrüche vornehmen – darauf stehen aber bisher nur 87 der in Frage kommenden rund 1.200 Mediziner*innen und Einrichtungen bundesweit. „Die geringe Anzahl der Ärztinnen und Ärzte auf dieser Liste sollte für uns Anlass sein, zu prüfen, ob wir in dieser Wahlperiode nicht doch noch mal an den Paragrafen 219a rangehen“, sagte am Montag Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, der taz. „In der Tat ist diese Liste keine große Hilfe für Frauen.“

Im Februar einigte die Große Koalition sich nach langem Streit um den Paragrafen auf einen Kompromiss geeinigt: Ärzt*innen dürfen nun öffentlich darüber informieren, dass sie Abbrüche durchführen. Für jede weitergehende Information, etwa bezüglich der angewandten Methoden, müssen sie aber auf befugte Stellen verweisen – etwa auf die besagte Liste der Bundesärztekammer.

„Es war kein Fehler, dass wir das Gesetz gemacht haben“, sagte Fechner. Es war aber nur ein kleiner Schritt, und wir müssen noch nachlegen: Der Paragraf 219a sollte mindestens deutlich eingeschränkt oder ganz gestrichen werden.“

Spahn lädt zu rundem Tisch ein

Am Montag hatte zudem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündig, die Bundesärztekammer und weitere Verbände zu einem runden Tisch einzuladen, um über Möglichkeiten zur Verbesserungen der Liste zu sprechen. Ein Ministeriumssprecher sagte laut dpa, es gebe „ohne Zweifel“ noch Verbesserungsbedarf. Ziel bleibe es, dass Frauen in einer schwierigen Konfliktsituation notwendige Informationen einfach finden könnten.

Zuvor hatten auch Karl Lauterbach und Nina Scheer, beide Kandidat*innen für den SPD-Parteivorsitz, die Liste scharf kritisiert. Die Liste sei in ihrer aktuellen Form „faktische Desinformation“, sagte Scheer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wenn der Kompromiss nicht funktioniere, müsse Paragraf 219a abgeschafft werden, „um weiteren Schaden sowohl von Ärztinnen und Ärzten als auch betroffenen Frauen abzuwenden“, schrieb sie auf ihrer Webseite.

Oppositionspolitiker*innen sagten der taz am Montag, dass lediglich eine Streichung des Paragrafen Verbesserung bringen werde. „Eine Liste wird nie die Information durch die Fachleute, die Ärztinnen, ersetzen können“, sagte Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Spahn wolle mit dem runden Tisch offenbar darüber hinwegtäuschen, „dass der Kompromiss krachend gescheitert ist.“

Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, sagte: „Jens Spahn trägt die Verantwortung dafür, dass Ärztinnen und Ärzte weiter unter Druck geraten und am Pranger stehen.“ Ärzt*innen sollten „auf ihren Homepages ohne Strafandrohung darüber informieren könnten, ob sie Abbrüche durchführen und mit welchen Methoden.“

Auch Stephan Thomae, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, sagte, ein runder Tisch ändere das grundsätzliche Problem nicht: „Die Neuregelung des Paragrafen 219a hilft weder den betroffenen Frauen noch den Ärzten.“ Nur mit einer Abschaffung gebe es „endlich Rechtssicherheit“. Nun sei die SPD am Zug.

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6 Kommentare

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  • Ich halte die ganze Aufregung für reichlich übertrieben, weil ich mir sicher bin, dass jede Beratungsstelle, die einen "Beratungsschein" ausstellen kann, auch den Weg zu einem einschlägigen Arzt weisen kann, der es mit dem seinem hippokratischen Eid nicht so ernst nimmt (dieser schliesst Abtreibung durch den Arzt explizit aus!)

    • @Winnetaz:

      "… einschlägigen Arzt weisen kann, der es mit dem seinem hippokratischen Eid nicht so ernst nimmt…"



      Wie meinen?!



      Sie glauben also, dass eine Abtreibung gegen die Pflicht einer Ärzt*in, Hilfe zu leisten, spricht?



      Sie glauben also, die Handlungsweise und Gewissensverpflichtung einer (anderen) Ärzt*in nicht nur beurteilen, sondern auch noch bestimmen zu "dürfen"?



      Ihren Kommentar halte ich für Verachtung pur – sowohl Frauen als auch Ärzten gegenüber. Und er sagt m. E. sehr viel über Sie aus.

    • @Winnetaz:

      Der hippokratische Eid ist für Ärzte heute nicht verpflichtend zu leisten. Für die Approbation ist er nicht erforderlich. Im Kern verpflichtet dieser Eid den Arzt nur dazu, Kranken nicht zu schaden.

  • Die einen nennen es „faktische Desinformation“, ich nenne es gezielte Vollverarschung. Die Frauen wurden mal wieder sauber von der „Union“ am Nasenring durch die Manege geführt. „Es war aber nur ein kleiner Schritt, und wir müssen noch nachlegen“ - nein Danke SPD, lieber nicht. Bullshit kann man noch so oft reformieren, es bleibt einfach immer nur bullshit.

    • @Rainer B.:

      Das Problem ist Annen und die Vereine der aggressiven Abtreibungsgegner mit ihren Aktionen. Keine Ärztin ud kein Arzt möchte daher +über eine Liste oder über einen Eintrag auf der Webseite in den Focus dieser Gruppen geraten. Das hat mit § 219a StGB nichts zu tun. Auch wenn es dieses Verbot nicht gäbe, wäre Annen und seine Gruppen ein Problem.

      • @Monika Frommel :

        Der §219a ist doch extra für Abtreibungsgegner gemacht worden. Er hilft sonst niemandem. Dass es auch nach seiner Abschaffung weiterhin Abtreibungsgegner geben wird, kann doch kein Grund für seine Beibehaltung sein.