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Kitas ohne Personal

Es fehlen nicht nur Kita-Plätze, sondern auch ErzieherInnen. Die Evangelische Kirche fordert eine „Ausbildungsoffensive“. Größtes Problem sei die fehlende Azubi-Vergütung

Ohne ErzieherInnen nutzt das beste didaktische Material nix Foto: Jens Büttner/dpa

VonSimone Schnase

Zum Start des neuen Kindergartenjahres fordert Carsten Schlepper, Leiter der evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder in Bremen, eine „echte Ausbildungsoffensive“. Er begrüße zwar die im just unterschriebenen Koalitionsvertrag formulierten Ziele, die Kapazitäten an den ErzieherInnen-Fachschulen auszubauen und bis Ende 2019 ein Konzept für eine Vergütung der Ausbildung vorzulegen, aber die Zeit werde knapp.

Es müsse, so Schlepper, umgehend eine Arbeitsgruppe bei der Senatorin für Bildung und Kinder gemeinsam mit den Kita-Trägern gebildet werden, um das geplante Konzept zu erarbeiten, „denn es ist bereits Mitte August“. Grundsätzlich halte er die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ziele für richtig, wenngleich sie nicht neu seien: So sollen bis zum Jahr 2023 Krippenplätze für 60 Prozent der Kinder unter drei Jahren geschaffen werden und der Rechtsanspruch in dieser Altersgruppe auf 30 Stunden pro Woche erhöht werden. Außerdem sollen die Kitas flexiblere Öffnungszeiten anbieten.

Um das umzusetzen, braucht es aber Personal und Geld: „Es ist sehr schwierig, Fachkräfte zu bekommen“, sagt Schlepper. Das liege vor allem daran, dass die Ausbildung nicht vergütet wird. Lediglich im Rahmen des Modellprojekts „Praxisintegrierte Ausbildung“ (Pia) der Senatorin für Kinder und Bildung wird die Ausbildung bezahlt. Hier absolvieren angehende ErzieherInnen nicht eine zweijährige schulische Ausbildung und ein anschließendes praktisches Anerkennungsjahr, sondern arbeiten von Anfang an in Kitas und besuchen daneben die Berufsfachschule.

„Zu zehn bereits vorhandenen Pia-Plätzen bekommen wir nun noch einmal zehn hinzu“, sagt Schlepper. Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) zahle darüber hinaus zwölf Ausbildungsplätze, die ähnlich konzipiert seien, aber nicht von der Senatorin refinanziert würden. „Und das Schulgeld für weitere zehn MitarbeiterInnen, die berufsbegleitend lernen, übernimmt ebenfalls die BEK“, sagt Schlepper.

Derzeit sind beim kommunalen Träger Kita Bremen 87 ErzieherInnen-Stellen unbesetzt

„Stärkungsprogramme wie Pia sind zwar nicht schlecht, aber das allein reicht nicht.“ Was fehle, sei ein grundlegendes Konzept für die Aus- und Weiterbildung. Beim Ausbau der Ausbildungskapazitäten sei Bremen Schlusslicht. „Von 2007 bis 2017 sind die Kapazitäten um 21 Prozent erhöht worden – andere Länder liegen hier bei 50 Prozent und mehr.“ Auch QuereinsteigerInnen müssten, so Schlepper, viel stärker an den Bereich gebunden werden.

Laut Bildungsressort werden im nun beginnenden Ausbildungsjahr die Anzahl der Klassenverbände an den öffentlichen Fachschulen für Sozialpädagogik von 33 auf 40 erhöht. Daneben werden erneut 54 „Pia“-Plätze angeboten. Und: wer im neuen Schuljahr eine ErzieherInnen-Weiterbildung am Paritätischen Bildungswerk beginnt, wird vom Land Bremen zum Abschluss der Ausbildung eine „Prämie“ in Höhe von 4.000 Euro bekommen – was allerdings bloß bedeutet, dass das Schuldgeld erstattet wird.

Derzeit sind beim kommunalen Träger Kita Bremen 87 ErzieherInnen-Stellen unbesetzt, 151 SchülerInnen befinden sich dort in Ausbildung. Bei der evangelischen Kirche als größtem freien Träger Bremens absolvieren knapp einhundert Frauen und Männer ihre Ausbildung, die ErzieherInnen-Stellen sind laut Schlepper „im Wesentlichen“ besetzt. Allerdings gebe es personell „keinen Puffer“. Aktuell fehlen in Bremen rund 900 Kita-Plätze.

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