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Grüne über Wasserqualität in der EU„Im Fluss sollte man baden können“

Die Hitzewelle zeigt, wie wichtig ein intaktes Süßwassersystem ist. Deshalb sind strenge Wasserziele der EU wichtig, sagt die Grüne Steffi Lemke​.

So wünscht man sich das: ein unbedenkliches Bad in einem sauberen Fluss Foto: dpa
Interview von Hanna Gersmann

taz: Frau Lemke, verbaut und verdreckt – nur die wenigsten, nämlich 8,2 Prozent der Flüsse in Deutschland sind in einem guten Öko-Zustand. Bis 2027 sollen es alle Gewässer sein. Wirtschaftsvertreter finden das „überambitioniert“. Die haben recht, oder?

Steffi Lemke: Überhaupt nicht. Wer es als Luxus abtut, dass Flüsse und Seen intakt sind, hat nicht verstanden, dass wir sie heute dringender brauchen denn je. Erinnern Sie sich an die Dürre 2018, Flüsse sind ausgetrocknet, Fische verendet. Die Benzinpreise sind gestiegen, weil der Rhein so wenig Wasser führte, dass die Schiffe den Treibstoff nicht mehr liefern konnten.

Was läuft da schief?

Flüsse brauchen mehr Platz. Auwälder würden Schatten spenden, vor allem aber speichern sie große Wassermengen und geben sie langsam ab. Sie regulieren den Wasserhaushalt.

Im Interview: Steffi Lemke

Die 51-jährige Steffi Lemke ist Sprecherin für Naturschutz der Grünen im Bundestag. Sie hat mehrere Wahlkämpfe der Grünen geleitet, sie lebt in Dessau und kämpft seit langem gegen den Ausbau der Elbe. Sie paddelt leidenschaftlich gern.

Aber da müssen Bagger anrücken, Deiche verlegt und Genehmigungen eingeholt werden. Bis Auwald wächst, es wilder wird, vergehen doch noch Jahrzehnte?

Aber man müsste wenigstens anfangen. Die Renaturierung an der Unteren Havel zeigt, wie eine Wasserstraße wieder ein natürliches Gewässer werden kann. Steine sind weggerissen worden, zum Beispiel das Deckwerk, das einst dafür sorgen sollte, dass die Ufer des tief ausgebaggerte Flusses im Sog der großen Frachtschiffe nicht erodierten. Nebenarme, die durch kleine Wälle vom Hauptstrom abgeklemmt waren, werden wieder angeschlossen. Jetzt sieht man wieder Fische zwischen Pflanzenstängeln Nahrung suchen, Seerosen, Libellen.

Warum zieht die Natur bis heute so oft den Kürzeren, haben Umweltschützer ein Vermittlungsproblem?

Regierungen, Behörden, Parteien, Unternehmensverbände haben vernachlässigt, wie sehr Wirtschaft und das öffentliche Leben von intakten Ökosystemen abhängt. Das zeigt sich jetzt doch. Die Trockenheit des vergangenen Jahres hat die Bauern besonders getroffen, aber auch andere. Forste durften wegen Waldbrandgefahr nicht mehr betreten werden. Im Übrigen fällt mit dem Austrocknen der Flüsse auch der Grundwasserspiegel. Deutschland steht zwar nicht unmittelbar vor einer Wasserknappheit. Aber in manchen Regionen wird es bei Dürre schon eng.

Was muss sich als Erstes ändern?

Die Landwirtschaft. Der Einsatz von Dünger und Pestiziden belastet die Flüsse, er muss gemindert werden. Das würde schnell wirken. Flüsse haben eine enorme Fähigkeit zur Regeneration. Früher wurde der Müll aus der Chemieindustrie in der Region Bitterfeld einfach in Gruben und Flüsse gekippt. Kaum war das zu Ende, hat sich der Zustand der Elbe verbessert. Heute kann man in ihr wieder baden. Das sollte in allen Flüssen so sein.

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