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„El Chapos“ letzter Auftritt

Mexikos berühmtester Drogenboss muss lebenslänglich hinter Gitter. Doch das Geschäft geht weiter

Aus Oaxaca Wolf-Dieter Vogel

Die Show ist vorbei. Es sei der formale Abschied „von unserem berühmtesten Banditen“, reagierte der Sicherheitsexperte Alejandro Hope in der mexikanischen Tageszeitung Universal auf die Verkündung des Strafmaßes gegen den Mafia-Boss Joaquín Guzmán Loera. Tatsächlich war es wohl das letzte Mal, dass der Chef des Sinaloa-Kartells vor einem Publikum auftreten konnte. Der Mexikaner soll nun „lebenslänglich plus dreißig Jahre“ in einem US-Hochsicherheitsgefängnis verschwinden. Das gab der New Yorker Richter Brian Cogan am Mittwoch bekannt. Die Geschworenen hatten den 62-Jährigen bereits im Februar in allen zehn Anklagepunkten schuldig gesprochen. Darunter: Drogenhandel, Waffenschmuggel, Geldwäsche.

Guzmán, der wegen seiner Körpergröße „El Chapo“ („der „Kurze“) genannt wird, war in Mexiko zweimal spektakulär aus dem Gefängnis ausgebrochen. Nach seiner dritten Verhaftung lieferten ihn die Behörden 2017 an die USA aus. Vor der Verkündung des Strafmaßes nutze er die Möglichkeit sich zu äußern: Dreißig Monate lang sei er 24 Stunden am Tag psychisch, emotional und mental gefoltert worden, erklärte er. Die USA seien nicht weniger korrupt als andere Länder. Als er ausgeliefert worden sei, habe er gehofft, dass sein Ruf keinen Einfluss auf das Verfahren habe. „Das war aber nicht so“, kritisierte er.

Guzmáns Anwälte hatten erfolglos versucht, den Prozess neu aufrollen zu lassen. Sein Mandant sei kein Heiliger, erklärte der Verteidiger Jeffrey Lichtman am Mittwoch, aber das Verfahren sei nicht gerecht gewesen. Er bezeichnete die Zeugen, die gegen Guzmán ausgesagt hatten, als Lügner. Die Aussagen von Kriminellen, die in US-Gefängnissen einsitzen und mit Guzmán Geschäfte gemacht hatten, waren eine wichtige Grundlage für das Urteil. Einige dieser Weggefährten wurden in letzter Zeit zu verhältnismäßig geringen Strafen verurteilt.

Das Strafmaß ist wenig überraschend. Im Februar hatte das Geschworenengericht es als bewiesen betrachtet, dass Guzmáns Organisation tonnenweise Kokain, Heroin, Marihuana, Amphetamin und andere Drogen in die USA geschmuggelt hat. Besonders wurde El Chapo zur Last gelegt, dass er das Sinaloa-Kartell angeführt hat. Er selbst hat Gegenspieler gefoltert und Auftragskiller angewiesen, Kontrahenten zu entführen und zu ermorden. Guzmán wurde auch dazu verurteilt, 12,6 Milliarden US-Dollar Strafe zu zahlen.

Vertreter der US-Justiz zeigten sich zufrieden über das Strafmaß. „Nie wieder wird er Gift in unser Land schütten können“, sagte der US-Staatsanwalt Richard Donoghue.

Das gilt jedoch nicht für sein kriminelles Unternehmen. Dessen Geschäfte gehen erfolgreich weiter. Das Sinaloa-Kartell expandiere international stärker als seine Konkurrenten, heißt es im Jahresbericht 2018 der US-Antidrogenbehörde DEA. Die Organisation liefere „im großen Stil“ Drogen in die an Mexiko angrenzenden Bundesstaaten.

Auch andere Kartelle versorgen den nördliche Nachbarn mit Kokain, Heroin oder der zunehmend konsumierten Droge Fentanyl. Kritiker werfen der mexikanischen Regierung vor, nicht konsequent gegen die Organisationen vorzugehen. Im Januar erklärte Präsident Andrés Manuel López Obrador, es gebe keinen Krieg gegen die Drogenmafia mehr. Seine Vorgänger hatten versucht, das Problem der organisierten Kriminalität durch die Mobilisierung des Militärs zu lösen. Der neue Staatschef will dagegen mit Sozialprogrammen die Lebenssituation der Armutsbevölkerung verbessern und sie so den Klauen der Verbrecher entziehen. Zugleich setzte er aber auch Tausende Mitglieder einer Nationalgarde ein, die jüngst zur Kriminalitätsbekämpfung gegründet worden war, gegen Migranten ein. Sie soll die Zuwanderer ohne Papiere aufhalten, bevor sie die Grenze zu den USA überschreiten.

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