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Carola Rackete vs. Matteo SalviniSie lässt sich nicht länger schmähen

Er nannte sie Großmaul und Schleuser-Komplizin. Jetzt hat die Sea-Watch-Kapitänin Klage gegen den italienischen Innenminister eingereicht.

Carola Rackete am 1. Juli 2019 in in Porto Empedocle, Italien Foto: reuters

Rom taz | Matteo Salvini liebt klare Worte, vor allem wenn es darum geht, über ihm unliebsame Menschen herzuziehen. Am Donnerstag fand er dazu wieder Gelegenheit – auf seiner Facebook-Seite zog er gegen die „deutsche Kommunistin“, die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete her. Nichts weniger als die „Schließung dieser Facebook-Seite“ habe die nämlich von der Staatsanwaltschaft gefordert: „Da kommt Fräulein Carola, ihre Anwälte reichen Klage ein, weil diese Facebook-Seite zum Hass anstachelt“. Das kann Italiens Innenminister gar nicht verstehen – Hassobjekt sei doch er selbst, dauernd verunglimpft von den Gutmenschen.

In der Tat hat Rackete bei der Staatsanwaltschaft Rom eine Klage bei Salvini eingereicht – Klage wegen Verleumdung und Anstiftung zu Straftaten. In der Klageschrift heißt es: „Matteo Salvini hat mich öffentlich und wiederholt als kleines Großmaul, Gesetzesbrecherin, Komplizin der Schleuser, potentielle Mörderin, Kriminelle, Piratin bezeichnet, als eine, die versucht, fünf italienische Militärs umzubringen und die ihre Zeit damit verbringt, italienische Gesetze zu brechen und die Politik auf dem Rücken von Menschen im Elend macht: Die gravierende Verletzung meiner Ehre liegt auf der Hand“.

Nur eines kann man Racketes Aufzählung vorwerfen: nämlich dass die unvollständig ist. Salvini weiß in seinen zahlreichen Facebook-Posts und Tweets nämlich auch zu berichten, die „reiche Kapitänin“ sei Kommunistin. Seine Tiraden verfehlen nicht ihre Wirkung.

Rackete verlangt auch die Abschaltung von Salvinis Facebook- und Twitter-Account

Die höflicheren Kommentatoren unter seinen Facebook-Posts wünschen Rackete, sie solle „in Deutschland ein Bier trinken und gefälligst dort bleiben“, andere wünschen sich, „den Richter aus Agrigent“, der den Haftbefehl gegen Rackete aufgehoben hatte (in Wirklichkeit handelte es sich um eine Richterin, Anm.d. Red.), „zusammen mit Carola im Gefängnis“ zu sehen, empfehlen der „armen Idiotin“, der „Rasta-Marionette“, dem „deutschen Püppchen“, „sich unter den Achseln zu rasieren“.

Salvini will nachjustieren

Eben deshalb verlangt Rackete neben der Strafverfolgung Salvinis auch die Abschaltung seines Facebook- und seines Twitter-Accounts, denn der Minister denkt gar nicht daran, den dort in zehntausendfach in den Kommentaren abgesonderten Hasstiraden Einhalt zu gebieten.

Salvini hat jedoch auch eine freundliche Seite. Am Dienstag war er im sizilianischen Mineo, dort befand sich über Jahre Italiens größtes Flüchtlingscamp. Salvini kam, um die endgültige Schließung des Lagers bekanntzugeben. Gut 100 Kreaturen jedoch hatten es ihm angetan: durchs Lager streunende Hunde. Auf Social Media rief er dazu auf, die armen Tiere aufzunehmen.

Ansonsten aber ist er dieser Tage damit befasst, den Kurs gegen die NGOs ein Stück weiter zu verschärfen. Ab Montag stimmt Italiens Parlament über das im Juni von der Regierung aufgelegte „zweite Sicherheitsdekret“ ab. Ursprünglich sah es vor, dass NGO-Schiffe beschlagnahmt werden können, wenn sie wiederholt unerlaubt in italienische Hoheitsgewässer eindringen; außerdem sollte eine Geldbuße von 50.000 Euro fällig werden.

Doch nachdem Carola Rackete von der Justiz auf freien Fuß gesetzt worden war, nachdem Jan Böhmermann eine Million Euro für Sea-Watch gesammelt hatte, muss Salvini jetzt nachjustieren. In Zukunft sollen Schiffe schon beim ersten Eindringen in italienische Gewässer konfisziert werden, soll die Geldbuße eine Million Euro betragen, soll der Kapitän automatisch in Haft, ohne Ermessenspielraum für die Justiz. In den Augen seiner 3,7 Millionen Facebook-Freunde und der mittlerweile 38% im Land, die die Lega wählen würden, wäre das wohl genau die richtige Medizin, um der „deutschen Kommunistin“ endlich das Handwerk zu legen.

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5 Kommentare

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  • europa lies und laesst eu-grenzstaaten mit den fluechtlingen allein. Es ist doch klar, dass das irgendwann nicht mehr geht. Und sich dann aufregen und herablassend tun, wenn die dortigen buerger nicht mehr weiterwissen und rechts waehlen. Salvini, Orban und zum teil Erdogan sind ein resultat der EU politik.

  • Weiß jemand was näheres über das Ergebnis des 2. Verfahren wegen angebl. `Beihilfe Illegaler Migration` , gegen Rackete weswegen sie - bis die Anhörung , welche ursprüngl. für Do. angesetzt war soweit ich weiß , in der Sache erfolgt ist - vorübergehend noch in Italien bleiben wollte - Oder hab ich da was Falsch verstanden ?.. Seit Ankündigung wurde nixmehr davon berichtet ...

  • Mal abgesehen von der politisch naiven Einstellung, Frau Rakete würde hier „progressiv“ handeln: Immer mehr Italiener finden, egal wie sie zu Salvini stehen, die Übergriffigkeit gerade der Deutschen mehr und mehr abscheulich. Solch Verhalten schadet massiv der eigentlichen Intention der Frau. Sie schließt eher die Reihen der Italiener.

  • Ein wichtiger Schritt von Frau Rackete, der allerdings wahrscheinlich nichts bringen wird wie ich fürchte.

  • 0G
    05031 (Profil gelöscht)

    alles gute, frau kapitänin! der herr salvini möge in seine fossa poplitea ejakulieren und der welt seine grenzdebilen verbalabsonderungen künftig ersparen.