inklusion im sport (IV): Alles hängt von Erfolgen und Titeln ab
Tennis im Dunkeln, Eishockey im Sitzen, Tanzen ohne Beine: Ein Handicap hindert Athlet*innen nicht, Leistung zu bringen. Hürden gibt es oft nur in den Köpfen. Wir stellen im Sommer Sportler*innen aus dem Norden vor
Jan Sadler gehört zu Deutschlands bestens Rollstuhlbasketballern. Er zählt im Bundesligateam von Hannover United zu den Leistungsträgern. Wie er sich seinen Weg bis zu den Paralympics 2020 als wichtigem Karrieremoment bahnt, bleibt trotzdem von Zufällen abhängig: Denn der Sportler braucht entweder großzügige Sponsoren, die ihn direkt unterstützen, oder er ist mit der Nationalmannschaft so erfolgreich, dass ihm finanzielle Förderung sicher ist.
Genügend Geld aufzutreiben, um den eigenen Sport professionell zu betreiben, ist im Behindertensport nicht einfach. Trotzdem hört man Sadler nur wenig mosern. Er gehört zu den Privilegierteren und findet in Hannover gute Rahmenbedingungen. Ein Stipendium von der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung, ein Platz in der Sportler-Wohngemeinschaft des Landessportbundes Niedersachsen, Aufwandsentschädigungen vom Verein und regionalen Sponsoren: All das sorgt für eine monetäre Basis, die ihm den Rücken für viel Training und wenig Jobben freihält. Bis zu neun Übungseinheiten pro Woche sind notwendig, um zur Elite der Rollstuhlbasketballer zu zählen. Neben dem Training studiert Sadler Journalistik, auch wenn das Studium oft hintenan stehen muss. Ein bis zwei Semester, so lautet seine pragmatische Rechnung, werden dem Leistungssport zum Opfer fallen.
Sadlers Diagnose lautet seit seiner Geburt Spina bifida. Mit der Rückenmarkverletzung hat sich der Aufbauspieler gut arrangiert. Er hofft, dass es eines Tages für die deutschen Top-Rollstuhlbasketballer möglich sein wird, allein von ihrer Sportart leben zu können.
Das Kuriosum oder auch das Normale an der Förderung des Behindertensports bleibt: Auch hier hängt alles von Erfolgen und Titeln ab. Auf Geld aus bundesweiten Quellen kann ein Nationalspieler wie Sadler nur hoffen, wenn es mit der deutschen Nationalmannschaft gut läuft.
Beispiel: Nach dem Gewinn einer Bronzemedaille bei der Europameisterschaft 2017 war für ihn und die Teamkollegen eine Förderung für ein Jahr gesichert. Nach dem 13. Platz bei der WM 2018 setzte die finanzielle Unterstützung aus. Ein solches Fördersystem baut enormen Druck auf. „Es werden die gefördert, die schon erfolgreich sind“, kritisiert Sadler. Ohne Medaillen wenig Moos – diese simple Formel gilt auch im Behindertensport.
Abseits der Nationalmannschaft hat es der 26 Jahre alte Sadler mit Hannover United geschafft, sich in der Liga einen Heimvorteil zu erarbeiten. Rund 350 zahlende Gäste wollen die Spiele eines Vereins sehen, der sich auch „eingekaufte“ Profis aus dem Ausland leistet. Das ist möglich, weil viele Unternehmen aus der Region entweder ein Faible für guten Sport oder das Thema Inklusion für sich entdeckt haben. In der Rollstuhlbasketball-Bundesliga treten gemischte Teams aus Frauen und Männern mit und ohne Behinderung an. Diese Konstellation lockt Sponsoren an, die etwas Gutes tun wollen. Wirklich wertvoll sind jedoch Geldgeber, die aus Überzeugung eine konstantere Finanzierung ermöglichen. Christian Otto
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