Permakulturgarten in Spandau: Ein Garten in Gefahr

Eine Spandauerin hat einen Permakulturgarten angelegt, der sogar die Humboldt-Uni interessiert. Das Bezirksamt aber droht der Rentnerin mit Räumung.

Permakulturgarten in Spandau: Eine Frau steht mit Händen in der Hüfte in einem wilden Garten

Will sich hier notfalls anketten: Karin Schönberger, 73, Permagärtnerin Foto: Tina Eichner

Berlin taz | Zum Gärtnern kommt Karin Schönberger in letzter Zeit kaum noch. „Manchmal denke ich, ich hab keinen Bock mehr“, sagt die 73-Jährige und wirkt für einen Moment erschöpft, fast den Tränen nahe. Doch dann schöpft sie wieder Kraft, „Die kriegen mich hier nicht weg. Zur Not werde ich mich an den Zaun ketten.“

Nun schon seit über einem Jahr kämpft Schönberger für den Erhalt ihres Weiße Rose genannten Permakulturgartens unweit der Havel im Norden Spandaus. Auf über 800 Quadratmetern hat Schönberger ein kleines Idyll geschaffen, in dem Interessierte naturnahes Gärtnern lernen können. Das soll nun ein jähes Ende finden: Schönbergers Pachtvertrag wurde im vergangenen Jahr gekündigt, das Grundstück soll in zwei kleinere Kleingartenparzellen aufgeteilt werden.

Schon von Weitem wird deutlich, dass es sich bei ihrem Waldgarten um keinen gewöhnlichen Kleingarten handelt. Im Gegensatz zu den geometrisch-sauber geschnittenen Hecken der Nachbargrundstücke, die sonst den Anblick der Spandauer Kleingartenkolonie prägen, sprießt hier der Grenzbewuchs munter in alle Richtungen.

„Für Menschen, die herkömmliche Gärten gewohnt sind, kann es etwas wild wirken“, warnt Schönberger. Enthusiastisch erklärt sie Be­sucher*innen die Funktionsweise ihres Permakulturgartens: „Der Garten imitiert die Schichten des Waldes.“ Obstbäume, Sträucher und Gemüse stehen nicht isoliert in Beeten, sondern gemischt durcheinander und ergänzen sich. Selbst verkanntes Unkraut erfüllt hier eine wichtige Funktion und baut den Boden auf. „Der Garten ist ein Kreislauf, da muss alles drinbleiben“, so Schönberger. In ihrem Garten verwendet sie nichts, was von außerhalb kommt, kein Düngemittel, kein Gift, selbst der Boden wird nicht umgegraben.

„Hier war nichts“

Als Schönberger das Grundstück vor 7 Jahren gepachtet hatte, war es komplett verwildert. „Hier war nichts“, erinnert sie sich. Die pensionierte Lehrerin hatte sich schon immer für naturnahes Gärtnern interessiert, die Idee für einen Permakulturgarten kam ihr durch ihre Tochter, die sie bat, auch Gemüse anzubauen.

Dadurch stieß sie auf das Konzept der Permakultur, was sie fortan begeisterte. Sie las viel, aber vor allem durch Ausprobieren lernte sie, den Garten in ein nachhaltiges Ökosystem umzuwandeln. An jeder Ecke lässt sich etwas Essbares finden, Tomatenpflanzen, Beerensträucher und Hügelbeete fügen sich aneinander. Schönberger beugt sich vor und pflückt etwas Rucola ab: „Der wächst gerade besonders gut.“

Ein Blick durch einen Zaun in den Nachbarsgarten: Dort ist eine Schneckenfigur zu sehen

Unter Beobachtung: Der Permakulturgarten grenzt an einen Kleingartenverein Foto: Tina Eichner

Eine Solaranlage versorgt den Garten mit Strom, Wasser kommt aus dem Brunnen, es gibt eine Komposttoilette und eine Jurte, in der man übernachten kann. Geschafft hat das Schönberger von Anfang an mit der Hilfe vieler Freiwilliger und Interessierter.

Schönberger betont immer wieder, dass ihr Garten ein Ort für die Allgemeinheit ist. Jeder könne hier herkommen, sagt sie, der über Permakultur lernen wolle. Seit Längerem gibt es schon eine Kooperation mit dem Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität, der die Weiße Rose als Klima-Schaugarten listet – denn Permakultur ist ein vielversprechender Ansatz, sich sowohl mit den Ursachen als auch Folgen des Klimawandels auseinanderzusetzen.

In Zukunft sollen auch Klassen aus der nahegelegenen Grundschule kommen, ein Kooperationsvertrag ist bereits unterschrieben. Die Nabu-Ortsgruppe will im Herbst hier geschützte Wildpflanzen anpflanzen. Ob diese Pläne umgesetzt werden können, ist angesichts der Kündigung ungewiss.

Angefangen haben die Schwierigkeiten im Oktober 2017. Während eines schweren Herbststurms wurde Schönbergers Jurte durch herabfallende Äste eines Ahorns beschädigt. Der Baum steht genau auf der Grundstücksgrenze zur Nachbar­parzelle, wodurch unklar war, wem genau der Baum gehörte und wer für die Schäden verantwortlich war. Schönberger zerstritt sich mit den Nachbarn, mit denen sie bisher eine gute Beziehung pflegte.

Um die Angelegenheit zu klären, kam es zu einer Grundstücks­begehung, bei der unter anderem der Verpächter und der Vorsitzende des Kleingartenvereins anwesend waren. Die Akte des zuständigen Grünflächenamts liegt der taz vor. Daraus geht hervor, dass während der Begehung nicht nur die Grundstücksgrenze festgelegt, sondern auch beschlossen wurde, die Parzelle aufzuteilen und den Pachtvertrag zu kündigen.

Permakultur ist eine besondere Form des Gartenbaus, in der versucht wird, die natürlichen Kreisläufe der Natur nachzuahmen. Ziel ist ein ökologisches System, das mit möglichst wenig Input von außen auskommt. Kennzeichnend ist ein Mischanbau, der die natürliche Artenvielfalt von Pflanzen und Insekten erhöhen soll.

Kleingärten gibt es in Berlin ungewöhnlich viele. Insgesamt 2.900 Hektar nehmen sie ein. Die meisten Flächen befinden sich in Landesbesitz. Aufgrund des hohen Bedarfs nach Bauland sind immer mehr Kolonien bedroht, gleichzeitig steigt der Bedarf immer stärker an. (taz)

Bezirksparlament will den Garten erhalten

Schönberger wollte die Kündigung nicht widerspruchslos akzeptieren und zog mehrmals in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV), um dort ihr Anliegen vorzutragen. Von den verantwortlichen Stadträten Frank Bewig (CDU) und Andreas Otti (AfD) hieß es dort auf Schönbergers Nachfragen, die Parzelle gehöre zur Kleingartenreserve und müsse deshalb umgewandelt werden, um Platz zu machen für Kleingartenbesitzer, die andernorts durch Wohnungsbau verdrängt worden sind.

Denn Schönberger besitzt lediglich einen Vertrag für eine Wochenendparzelle, ein Kleingarten ist es nicht. Der Vertrag wird außerdem nur jährlich verlängert und könne deswegen auch jederzeit ordnungsgemäß gekündigt werden. Zudem sei das Grundstück mit über 800 Quadratmetern fast doppelt so groß, wie ein Kleingarten sein darf. Das sei zu viel, bei einem Bedarf von 1.800 zusätzlichen Kleingärten im Bezirk Spandau.

„Den Garten platt machen für andere Gärten? Wie absurd ist das denn?“, findet dagegen Schönberger. In der Tat ist auffällig, dass ihr Grundstück das einzige in der ­Gegend ist, auf das diese Regelung angewandt wird, obwohl es in direkter Nachbarschaft Nutzer mit ähnlichen Grundstücksgrößen und Vertragsformen gibt.

Die Mitglieder der BVV konnte Schönberger bereits von ihrem Permakulturgarten überzeugen. In einem Eilantrag im April wurde beschlossen, den Garten so lange zu erhalten, bis eine einvernehmliche Lösung gefunden ist.

Karin Schönberger,Permakulturgärtnerin

„Zur Not werde ich mich an den Zaun ketten“

Doch das Bezirksamt zeigt sich von dem rechtlich nicht verbindlichen Beschluss wenig beeindruckt und versucht Schönberger mittels Räumungsklage vom Grundstück zu vertreiben. Dagegen versucht sie nun Revision einzulegen. Woanders neu anfangen will sie nicht, dafür sei sie schon zu alt, sagt die 73-Jährige.

Karin Schönberger hofft, dass sie bald wieder die Ruhe hat, um sich ihrem Garten widmen zu können – denn damit Permakultur funktioniert, braucht es vor allem Zeit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.