piwik no script img

Brexit schwächt britische WirtschaftAutoproduktion bricht ein

Die gebremste Nachfrage nach Pkw macht der Branche dies- und jenseits des Ärmelkanals zu schaffen. Die Bundesregierung versucht zu helfen.

Keine Autohersteller auf der Insel in britischer Hand: Jaguar gehört zum indischen Tata-Konzern Foto: dpa

Berlin taz | Der Brexit wirf seinen Schatten voraus: Die Autoproduktion in Großbritannien ist im ersten Halbjahr 2019 um ein Fünftel eingebrochen. Das teilte der Branchenverband Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) am Mittwoch mit. Mit 666.521 Fahrzeugen wurden rund 20 Prozent weniger gebaut als in den ersten sechs Monaten des Vorjahrs. Der Verband warnt vor einem harten Brexit, dem sogenannten No-deal-Austritt aus der EU.

„Die heutigen Zahlen sind das Ergebnis globaler Instabilität, die durch die anhaltende Angst vor einem ‚No deal‘ verstärkt wird“, sagte SMMT-Chef Mike Hawes. Autohersteller in Großbritannien haben bereits mindestens 330 Millionen Pfund (364 Millionen Euro) ausgegeben, um sich für einen harten Brexit zu wappnen. Dieses Geld wäre besser für die Bewältigung der technologischen und ökologischen Herausforderungen ausgegeben worden, sagte Hawes.

Die britische Autobranche ist über Lieferketten fest mit der europäischen Industrie verwoben. Mit dem Amtsantritt von Premierminister Boris Johnson ist ein Austritt aus der EU ohne Abkommen wahrscheinlich geworden. Für die Autohersteller würde das Lieferengpässe und hohe Zusatzkosten durch mehr Bürokratie und Zölle bedeuten. „Ein Brexit ohne Abkommen stellt eine existenzielle Bedrohung für unsere Branche dar“, so Hawes.

Die Autoindustrie ist eine der wichtigsten Säulen der britischen Industrie und die wichtigste der Exportwirtschaft. Auf sie entfällt ein Anteil von 14 Prozent der Ausfuhren. Rund 168.000 Menschen arbeiten direkt in der Branche. Allerdings: Kein einziger der dort tätigen Autobauer (unter anderem BMW, VW, Nissan) ist noch in britischer Hand. Die Investitionen aus dem Ausland sind fast komplett zum Erliegen gekommen.

Acht von zehn in Großbritannien gebaute Autos gehen in den Export, die meisten in die EU

Das Problem: Von zehn produzierten Fahrzeugen gehen acht in den Export, mehr als die Hälfte davon in die EU. Nach einem harten Brexit gelten die Regeln der Welthandelsorganisation. Dann werden auf Autos Zölle von rund zehn Prozent fällig, was den Verkauf erschweren wird. In andere Märkte auszuweichen, dürfte schwer werden. Für Großbritannien werden nach einem harten Brexit mit einem Schlag die 40 Freihandelsverträge der EU nicht mehr gelten, die dem Land bislang unkomplizierten Zugang zu großen Märkten ermöglichten. Bislang konnte Großbritannien nur wenige eigene Handelsabkommen abschließen, so mit der Schweiz, den Färöer Inseln und dem ost- und südafrikanischen Handelsverbund ESA.

Stellenabbau in der Autobranche

Im Juni ist die Autoproduktion in Großbritannien den 13. Monat in Folge geschrumpft. Sie fiel gegenüber dem Mai um 15 Prozent. Ursache für den Einbruch ist die sinkende Nachfrage in großen Märkten und in Großbritannien selbst. Er ist allerdings teilweise auch vorgezogenen Werkferien geschuldet. BMW etwa hatte die sonst im Sommer anstehenden Pause für Umbauarbeiten und Reparaturen auf den April vorgezogen, weil ein harter Brexit schon im März möglich erschien. Das Parlament beschloss seinerzeit eine Verschiebung des Austritts auf den 30. Oktober.

Unabhängig von einem harten oder weichen Brexit haben Autohersteller bereits Konsequenzen gezogen. Nissan wird ein Nachfolgemodell des SUV X-Trains nicht mehr in Großbritannien, sondern in Japan bauen lassen. Honda wird eine Fabrik in Swindon schließen. Jaguar baut in großem Umfang Stellen ab.

Auch die deutsche Autoindustrie fürchtet den Brexit. Rund 20 Prozent ihrer Exporte gehen nach Großbritannien. Die Branche befindet sich zurzeit in einer ungemütlichen Lage. Denn viele deutsche Hersteller und Zulieferer leiden ebenfalls unter nachlassender Nachfrage und verschobenen Investitionen. Auch der Handelsstreit mit den USA belastet. Gleichzeitig müssen die Autobauer jetzt mit dem Umbau ihrer Produktion auf E-Mobilität beginnen.

Förderung von Dienstwagen

Allerdings läuft der Verkauf von E-Autos nur schleppend. Ihr Anteil an den 2018 mehr als 3,4 Millionen neu zugelassenen Pkw lag bei einem Prozent, der Anteil von Hybridmodellen bei 3,8 Prozent. Die Bundesregierung will den Absatz ankurbeln. Am Mittwoch hat das Kabinett deshalb die Verlängerung von Steuerprivilegien für E- und Hybriddienstfahrzeuge beschlossen.

Die Grünen lehnen den Einbezug von Hybridmodellen ab. Zurzeit gibt es rund 50.000 Hybridmodelle, die die Fördervoraussetzung erfüllen. Darunter fallen viele umweltschädliche Oberklasse- und Sportwagen sowie SUVs. „Fast 2 Milliarden Euro sollen für die Förderung von Porsche Cayenne und Mercedes S-Klasse Hybriden versenkt werden“, kritisierte die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus. Mit Blick auf den Klimaschutz sei eine radikale Kehrtwende und eine grundlegende ökologische Reform der Dienstwagenbesteuerung“ nötig. Nur komplett emissionsfreie Autos sollten in den Genuss der Steuervergünstigung kommen. „Für alle anderen Fahrzeuge sollte die Besteuerung am CO2-Ausstoß ausgerichtet werden“, forderte sie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • achja man sollte dem johnson sagen dass bei einem harten brexit die britischen autofabriken in die eu verlegt werden weil damit der zoll für den export in die eu entfällt.man könnte die werke nach ostdeutschland verlegen und damit die ost west ungleichheit zu mindern