Filmempfehlung für Berlin: Anziehung durch Unterschiede
Das Kino fsk zeigt unter der Überschrift „In many imperfect ways“ eine kleine Sommerreihe mit sechs Spielfilmen über lesbische Liebe.
Nina und Magda sitzen in der Badewanne, umspielt von Wasser, der Haut der jeweils anderen und rotem Licht. Ein intimer Moment, vielleicht der erste wirkliche zwischen ihnen. Von der Lichtstimmung her erinnert er aber auch an eine andere Situation, in welcher sich die beiden Frauen bereits zuvor wiedergefunden hatten – in einer Installation nämlich, die einer Gebärmutter nachempfunden war und in der es sich behaglich und geschützt räkeln ließ.
Diese gigantische Gebärmutter, der gemeinsame Aufenthalt in der Badewanne und schließlich ein erneuter Besuch der Ausstellung samt Uterus (dieses Mal von Nina allein) sind gewissermaßen Unterkapitel in Olga Chajdas Film „Nina“ (Polen 2018), der eine seltsame, mitunter intensive Reise ist, auf die man sich mit den Frauen begibt (tatsächlich spielt, letztlich zum Leidwesen beider, auch ein Mann eine Rolle): Motive wie Sehnsüchte ändern und widerlegen sich mehrfach, manchmal plötzlich und impulsiv.
Gut also, dass es diese nicht direkt ausgewiesenen Pausen gibt, in der Wanne, in der Installation, in denen Sammlung, Einkehr möglich ist. Und die ist auch nötig, denn: Nina und Magda haben sich ineinander verliebt. Geplant war das nicht. Nina und ihr Mann Wojtek (das ist der, mit dem es später noch kompliziert werden soll) haben Magda vielmehr auserkoren, jenes Kind auszutragen, das sich Nina und Wojtek wünschen, aber auf dem üblichen Wege nicht bekommen können.
Lustvolle Bereiche
Die Filmreihe „In many imperfect ways“ läuft vom 1. 8. bis 8. 8. im fsk Kino, Segitzdamm 2. Programm unter: fsk-kino.peripherfilm.de/in-many-imperfect-ways-filmreihe/
Die um einiges jüngere Magda ist mehr oder weniger zufällig in das bürgerliche Leben der beiden, die seit der Schulzeit ein Paar sind, geweht. Große Fragen, einmal abgesehen von der schwer erfüllbaren Elternschaft, scheinen sie nicht mehr aneinander zu richten. Für derlei Anliegen muss bei Nina der Französischunterricht herhalten, den sie an einem Gymnasium erteilt und der ihr als offenes Feld dient, der eigenen Erotik (hier ist es eine eher vergeistigte) nachzugehen.
Dass es diese lustvollen Bereiche unbedingt braucht, davon erzählt nicht nur „Nina“, sondern auch „Princess Cyd“ (USA 2017) von Stephen Cone. Ein weiterer der insgesamt sechs Spielfilme, die das Kino fsk in dieser Woche unter der Überschrift „In many imperfect ways“ zeigen wird. Eine kleine Sommerreihe zu lesbischer Liebe.
In „Princess Cyd“ bahnt sich diese ganz klassisch an. Cyd, gerade bei ihrer Tante in Chicago zu Besuch, weil es daheim Schwierigkeiten mit dem Vater gibt, joggt eines Tages durch die Straßen und stellt fest, dass sie die Orientierung verloren hat. Kurzerhand betritt sie ein Café und bittet um Auskunft. Diese erteilt ihr Katie, die mit Irokesen und wachen Augen hinter der Kaffeemaschine steht.
Was zwischen Katie und Cyd geschieht, ist im Grunde eine schöne Girl-meets-Girl-Geschichte (welche abermals durch von Männern verursachte Zwischenfälle gestört wird, einmal sogar in Form einer versuchten Vergewaltigung) – besonders interessant aber ist das Verhältnis, das sich zwischen Cyd und ihrer Tante Miranda, einer populären Schriftstellerin, die noch immer im Haus ihrer Kindheit lebt, entwickelt.
Es kulminiert in einem Verhandeln nach eben diesen lustvollen Bereichen, die sich für die Frauen höchst unterschiedlich gestalten, aber aufgrund der Begegnung doch miteinander in Verbindung treten. Bewegt sich Miranda in einer extrem vergeistigten Welt, in der sie etwa darüber nachdenkt, ob es eigentlich einen Unterschied zwischen materiellen und immateriellen Phänomen gibt, spielt Cyd lieber Fußball und badet auf der Wiese in der Sonne.
Verzicht auf Sex
Anziehung entsteht gerade durch den Unterschied – so auch in „Nina“. Denn während Nina vor ihren Schülern über „Les Mepris“ sinniert, verdingt sich Magda an der Sicherheitskontrolle eines Flughafens und verbringt ihre Nächte, wenn Nina und Wojtek ihre Langeweile mit hochpreisigem Rotwein kaschieren, in einschlägigen Clubs. Ebenso in „Anker der Liebe“ (Großbritannien 2018) von Carlos Marques-Marcet. Dort begehren sich Eva, spirituell angehaucht und ebenfalls mit Kinderwunsch, und Kat, die auf den ersten Blick aussieht wie Julian Casablancas zu seinen besten Zeiten.
Weil in der eigentlichen Liebesgeschichte von „Princess Cyd“, der zwischen Tante und Nichte (am Ende ist sogar ein „I love you“ aus dem Telefon zu hören), aber auf jegliche ausgelebte Sexualität verzichtet wird, überträgt sich der Austausch auf den Dialog sowie das sich gegenseitige Beobachten und Inspirieren.
Auf einmal liegt auch Miranda im Badeanzug auf der Wiese. Und Cyd mit Büchern im Bett. Die Intimität zeigt sich nicht über gemeinsame Aufenthalte in der Badewanne wie bei Nina und Magda, sondern geschieht vielmehr zeitversetzt und mehrheitlich allein. Es ist eine Bindung, die in letzter Konsequenz natürlich nicht mit der zwischen Cyd und Katie oder Kat und Eva oder Nina und Magda zu vergleichen ist. Aber es ist auch eine Liebe zwischen Frauen, die sogar mehrere Generationen überspannt und, anders als in „Anker der Liebe“ und „Nina“, ungetrübt von Fortpflanzungsproblemen existiert.
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
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