piwik no script img

Die Welt der Linkspartei

Wo Linkspartei draufsteht, ist derzeit nur PDS drin. Das gilt auch im Saarland, obwohl der hiesige Spitzenkandidat der WASG angehört. Er lebt im Ruhrgebiet. Plakatiert wird landesweit vor allem Oskar Lafontaine, der in NRW antritt. Ein Soziogramm

AUS SAARBRÜCKENKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Das muss den potenziellen Wählerinnen und Wählern klar sein: Wo Linkspartei draufsteht, ist derzeit nur PDS drin. Das ist selbst im Saarland der Fall, wo die Linkspartei (PDS) mit einem Spitzenkandidaten aus den Reihen der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) zur Bundestagswahl antritt. Das ist die Partei, die bis zur avisierten „Verschmelzung“ mit der Linkspartei (PDS) parallel existiert. Alles klar?

Um Unklarheiten auszuräumen, hat die Linkspartei (PDS) ins Bistro des Saarlandmuseums geladen. Thomas Lutze, den die PDS schon Anfang der 90er-Jahre zum Aufbau der Partei von Sachsen an die Saar geschickt hat, hält den Einführungsvortrag in die Welt der Linkspartei. Eine notwendige, aber keine ganz leichte Aufgabe.

Denn für das Verständnis der neuen Partei kommt im Saarland erschwerend hinzu, dass der Saarländer Oskar Lafontaine (WASG) für die Linkspartei (PDS) im Wahlkreis Saarbrücken um ein Direktmandat kämpft, gleichzeitig aber auch Spitzenkandidat auf der Landesliste der Linkspartei (PDS) in Nordrhein-Westfalen ist. „Dafür“ residiert der Spitzenkandidat auf der saarländischen Landesliste, Volker Schneider (WASG), in Essen. Dort steht der 50-Jährige dem Berufsverband der Sozialarbeiter in Deutschland vor. Dessen ungeachtet klebt die Linkspartei an der Saar landesweit ab sofort vornehmlich Plakate mit dem Charakterkopf von Lafontaine.

Schneider ficht das alles nicht an. Für ihn steht fest, dass es nach der Wahl überall in Deutschland zu „klaren Verhältnissen“ kommen wird. Noch vor den nächsten Landtagswahlen würden sich die beiden Parteien „vereinigen“. Die WASG hat an der Saar rund 500 Mitglieder, die Linkspartei 160.

Den selbstständigen Kaufmann Hans-Kurt Hill (55) ärgert vor allem, dass die Sozialdemokraten seine Partei als „Linkshaufen“ schmähen. Hill kandidiert vor 6 weiteren Genossen aus den Reihen der PDS und einem Kandidaten mit einem DKP-Parteibuch auf Platz 2 der Landesliste. Der mit mäßigem Erfolg um Eloquenz bemühte Mann mit der lustigen bunten Krawatte über dem gewaltigen Bauch verweist auf die „nicht wenigen Unternehmer“, die sich der neuen Partei angeschlossen hätten. Und auch auf die vielen ehemaligen Sozialdemokraten und Grünen, die „wegen der unsozialen Politik der Regierungsparteien in Berlin“ die Fronten gewechselt hätten. Sie alle würden sich dagegen „verwahren“, unter dem Sammelbegriff „Linkshaufen“ subsumiert zu werden. Hill selbst war bis 1994 Sozialdemokrat und engagierter Kommunalpolitiker. Dann trat er, „enttäuscht vom sich abzeichnenden neoliberalen Kurs der Partei“, in die PDS ein.

Auch Spitzenkandidat Schneider war einmal SPD-Mitglied. Schon 1982 gab er sein Parteibuch zurück, weil in der damaligen Koalition mit der FDP der „neoliberale“ Otto Graf Lambsdorff die Richtlinien der Politik bestimmt habe. Der Musiker Markus Lein (39) war ebenfalls Sozialdemokrat. Ihn trieb „das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit“ zur WASG, deren Landesvorstandssprecher er jetzt ist – gleichberechtigt neben einer ehemaligen Aktivistin der Grünen, der Volkswirtin Beate Wojtyniak (38). Lein, der seine Künstlermähne gern gekonnt nach hinten streicht, initiierte im Frühjahr die „Saarbrücker Resolution“ zur Abschaffung von Hartz IV, die auch der Spitzenkandidaten der SPD im Saarland, Ottmar Schreiner, unterzeichnete. Im Bistro des Saarlandmuseums weist Lein vehement Vorwürfe zurück, wonach die Linkspartei sich als populistisch geriere, um der NPD das Wasser abzugraben. Und verteidigt Oskar Lafontaine, der sich mit seiner Einlassung zu den „Fremdarbeitern“ nur schützend vor die Arbeitsimmigranten aus Polen gestellt habe.

Jetzt greift Parteifunktionär Lutze ein. Natürlich wolle man die Protestwähler „zurückholen“, die auch bei den Landtagswahlen an der Saar 2004 „nur aus Wut“ die NPD gewählt hätten, sagt er. Das müsse „Aufgabe für alle demokratischen Parteien“ werden. „Eine Frechheit“ sei es, dass der Verfassungsschutz im Saarland neben der NPD noch immer auch die PDS – und jetzt die Linkspartei – beobachte. Damit werde die NPD verharmlost. Lutze gibt noch weitere kurze Einblicke in die Welt der Linkspartei, dann ist Schluss.

Draußen vor dem Museum werden Prognosen abgegeben: An der Saar werde man die SPD überholen und zweitstärkste Kraft werden. Und dass „unser Oskar“ seinen Wahlkreis gewinnt, steht für alle sowieso fest.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen