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Polizei verhindert Streich

Zehntklässler*innen wollten ihr letztes Schuljahr feiern – die Schulleitung alarmiert die Polizei

Von Eiken Bruhn

Luftballons und Konfetti hatten sieben Zehntklässler dabei, als sie in der Nacht zum Mittwoch ihre Schule im Bremer Stadtteil Peterswerder betraten. Wie viele Abschlussjahrgänge vor ihnen wollten sie am Vormittag ihr letztes Schuljahr feiern. Chaostage heißt diese Tradition an der Gesamtschule Mitte – wie an vielen anderen deutschen Schulen auch. Den Schlüssel fürs Schulgebäude gibt es von eingeweihten Lehrer*innen, die die oberste Regel erklären: nichts kaputt machen.

Doch in diesem Jahr war an der Schule in Peterswerder alles anders. Die Jugendlichen hatten ihre Sachen kaum ausgepackt, da rückte die Polizei mit zwei Streifen- und zwei Mannschaftswagen an und nahm die 15- und 16-Jährigen mit. So schildert es einer, der dabei war und anonym bleiben möchte.

„Wir hatten vor der Schule Polizei gesehen – uns aber nichts gedacht, weil nebenan eine Wache ist“, sagt er. Als sie im Gebäude waren, sahen sie, dass sich die zum Teil mit Schlagstöcken bewaffneten Polizist*innen vor der Schule postierten. „Wir haben gedacht, scheiße, die halten uns für Einbrecher“, sagt er. „Wir hatten echt Panik.“ Sie hätten das Gebäude verlassen, um der Polizei zu sagen, dass sie einen Schülerstreich verüben wollten. Die ließ sich ein paar – unversehrte – Klassenräume zeigen und nahm fünf der Jugendlichen mit.

Die Polizei alarmiert hatte die Schulleitung. Das sagte die Sprecherin der Bildungsbehörde, Annette Kemp, am Donnerstag der taz. „Sie hatte gehört, dass etwas in der Schule passieren sollte und bat die Polizei, ein Auge draufzuwerfen.“ Kemp verteidigte dieses Vorgehen. Die Schulleitung habe die Situation so eingeschätzt, dass es besser sei, die Polizei einzuschalten. In den Vorjahren habe es Vandalismus gegeben, zudem habe sie gehört, dass dieses Mal mehr geplant gewesen sei als üblich. Kemp konnte weder sagen, was in den Vorjahren kaputt gegangen sei noch welche Pläne die Schüler*innen gehabt hätten.

Der Schüler sagt, sie hätten eine Disco geplant, mehr nicht. Auch Ingrid Dübel, Elternsprecherin in einer 10. Klasse, sagt: „Ich wusste, was die vorhatten, das war Pipifax.“ Sie kritisiert, dass die Schulleitung nicht mit den Schüler*innen geredet, sondern die Polizei eingeschaltet hat. „Dadurch ist das kriminalisiert worden.“ Ein anderer Vater, Jonas Kuckuk, der seinen Sohn um fünf Uhr morgens bei der Polizei abholte, findet auch das Verhalten der Polizei fragwürdig. „Es ist unverhältnismäßig, mit so vielen Leuten anzurücken.“

Eine Polizeisprecherin sagte, die Besatzung eines Streifenwagens habe die Jugendlichen angesprochen, die weggerannt seien und sich versteckt hätten. Daraufhin sei Verstärkung angefordert worden. „Das stimmt nicht“, sagt der Schüler, „niemand hat uns angesprochen und wir sind nicht weggelaufen.“ Die Polizeisprecherin sagte, es sei ungewöhnlich, dass die Polizei zu Schülerstreichen gerufen werde.

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