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Partys gegen die Gema

MUSIKRECHTE Die Clubs bangen um ihre Existenz. In ganz Deutschland demonstrierten Tausende gegen die Gebührenpläne der Gema. Die versteht die Aufregung nicht

„Wir wollen künftig nicht auf Autobahnraststätten feiern“

MATTHIAS ROEINGH ALIAS DR. MOTTE

VON SVENJA BEDNARCZYK UND NICOLAS WEISENSEL

Es sah fast aus wie einst auf der Loveparade. Nicht umsonst hatten die Veranstalter der Berliner Anti-Gema-Demo die alte Strecke auf dem Kurfürstendamm gewählt. Das Publikum war bunt gemischt und feierwütig: Raver, Hipster, Hippies. Fast jeder mit einer Bierflasche in der Hand – und überall Parolen gegen die Gema: „Gema exekutiert meinen Arbeitsplatz“, „sing together, fight the power“ und „Gema over“.

Doch nicht nur in Berlin, sondern in vielen Städten Deutschlands trieb die geplante Reform der Tarife für Musikrechte Kritiker auf die Straßen. In der Hauptstadt sollen es nach Veranstalterangaben knapp 10.000 Menschen gewesen sein. In München versammelten sich vor der Zentrale der Rechteverwertungsgesellschaft rund 2.000 Menschen, in Frankfurt schätzte die Polizei die Teilnehmerzahl auf 7.000.

Die Gema, die Gebühren für die öffentliche und kommerzielle Nutzung von Musik anderer erhebt, will am 1. Spril 2013 neue Gebühren für Musikveranstaltungen einführen. Die Club-Betreiber befürchten, dass es für sie künftig deutlich teurer wird – und die Gema bestreitet das auch nicht. Doch sieht sie darin keine Existenzbedrohung für die rund 3.000 Clubs in Deutschland, die bisher gemeinsam circa 6 Millionen Euro an die Gema abführen, die insgesamt pro Jahr etwa 800 Millionen Euro einnimmt.

„Ja, die Clubszene wird in den neuen Tarifen stärker belastet, weil sie Musik als Geschäft am stärksten nutzt“, sagt Ursula Goebel, Leiterin der Gema-Kommunikationsabteilung. „Die Besucher gehen ja schließlich wegen der Musik in einen Club und nicht, weil die Cola da so gut schmeckt.“

Die Gema will zehn Prozent

Die Gema wolle nicht mehr als zehn Prozent des Eintrittserlöses, da seien alle Zuschläge schon drin. Diese zehn Prozent seien in vielen Nachbarländern schon lange üblich. „Das sind 1,7 Prozent des Gesamtgewinns, den ein Club an einem Abend macht“, das würden Berechnungen ergeben, sagt die Pressesprecherin. Laut Experten mache ein durchschnittlich großer Club nur ein Fünftel seines Umsatzes mit dem Eintritt. Also warum macht die Clubszene wegen dieser 1,7 Prozent so einen Aufstand?

Was die Gema in ihrer Berechnung nicht beachtet: „Der Veranstalter ist in den meisten Fällen ja nicht der Clubbesitzer“, so Olav Möller, Vorsitzender der Berliner Clubcommission und einer der Organistoren der Demo. „Sie wollen zehn Prozent vom Bruttoerlös. Davon gehen noch die Umsatzsteuer, Miete für den Club, DJ-Honorar, die GVL-Gebühr und weitere Kosten ab. Da bleibt einfach nichts mehr über.“ Denn neben der Gema erhebt auch die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) Gebühren. Die Gema zahlt an die Urheber und Komponisten, die GVL an die Interpreten.

„Es fehlt das Verständnis, für geistiges Eigentum bezahlen zu müssen“, meint Silvia Moisig, Dokumentationsdirektorin der Gema. „Beim Bäcker ist es klar, dass man die Brötchen bezahlen muss. Das verstehen die Leute, weil sie etwas in der Hand haben. Die junge Generation hat durch das Internet verlernt, für Musik zu bezahlen.“

So einfach sei es nicht, meinen die Kritiker, da in den Clubs ja nicht einfach Musik Dritter abgespielt würde. „Der DJ ist ein Künstler“, sagt Lotar Küpper, Anmelder der Berliner Demo. „Er verbringt durch das Mixen der Lieder eine höhere geistige Leistung, ist also auch Urheber. Die Gema verlangt von ihm seine Playlist, also sein Geschäftsgeheimnis offenzulegen.“

Geld gehe nur an Stars

Der zweite Vorwurf der Demonstranten an die Gema: Sie sei nicht transparent genug in der Vergütung. Das Geld gehe nur an die großen Stars und die kleinen Künstler würden nichts sehen. Tatsächlich gehen 65 Prozent der Einnahmen an nur 5 Prozent der Mitglieder. Allerdings versucht die Gema durch 120 „Hitboxen“ einen besseren Einblick in die tatsächlich gespielte Musik der Clubs zu bekommen. Diese Aufnahmegeräte stehen bundesweit in verschiedenen Clubs und erfassen die Lieder des Abends. Diese Aufnahmen werden dann durch Mitarbeiter von Mediacontrol ausgewertet. „Monitoring durch die Hitboxen ist uns wichtig, denn so werden auch unbekanntere Lieder, die nicht im Radio gespielt werden, erfasst und so junge Küstler besser gefördert“, so Micki Meuser, Musikproduzent und Gemamitglied.

Christoph Lauer, Fraktionsvorsitzender der Berliner Piratenfraktion, reicht das nicht. „120 Boxen für ganz Deutschland sind einfach zu wenig.“ Jeder Küstler solle wissen, wie oft seine Musik gespielt wird und dafür vergütet werden.“ Jedoch allein diese 120 Boxen und die Auswertung kosteten das Unternehmen 300.000 bis 400.000 Euro jährlich. Die Gema betont, dies sei der neuste Stand der Technik. Pirat Lauer kontert: „Wir können auf den Mars, wir können Autos ohne Fahrer fahren lassen und das soll nicht funktionieren? Das ist Quatsch.“ Jedes Handy könne Lieder erkennen, „Mensch und Stift sind einfach veraltet“.

Noch berät eine Schiedsstelle über die zehnprozentige Abgabe an die Gema. Der Ausgang der Debatte zwischen Gema, Musikmachenden, Gemamit- und Nichtmitgliedern, Veranstaltern, Clubbesitzern und Politikern bleibt ungewiss.

Der Techno-DJ Matthias Roeingh, besser bekannt als Dr. Motte, sagte auf der Frankfurter Demo, die Gema müsse sich zu neuen Verhandlungen bereit erklären. „Wir wollen künftig nicht auf Autobahnraststätten feiern“, rief Roeingh. Er hatte einst die Loveparade mitgegründet.

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