PR des Olympischen Komitees: Lausanne, Rio, Tokio
Das IOC will mit lauter Sensationsmeldungen die Fußball-WM vergessen machen: Ein neues Haus, ein neuer Winterausrichter, eine neue Bestechung.
W ährend die Fußball-WM der Frauen lief und zumindest in manchen Medien die volle Aufmerksamkeit beanspruchte, hätte man ebenso gut eine Schwerpunktberichterstattung über das Internationale Olympische Komitee (IOC) anstoßen können. Die olympische Gesellschaft lieferte so viel Material, also wolle sie sagen: Hey, schaut auf uns, hier ist richtig Leben in der Bude!
Zuerst eröffnete das IOC ein „Olympic House“, einen Neubau, mit allem Pipapo: Glasfassade, ganz viel Nachhaltigkeit und Umweltdingens. Das Häuschen hat 129 Millionen Euro gekostet, liegt am Genfer See und macht Thomas Bach offenbar glücklich: „Das Olympic House ist das Zuhause für uns alle.“ Wer jetzt denkt, damit seien vielleicht die Berliner Wohnungsprobleme gelöst oder die Verteilungsprobleme der EU in Sachen Migration, der sieht sich getäuscht, denn in dem olympischen Haus wohnen nur Angestellte und Funktionäre. Zuvor arbeiteten sie an vier verschiedenen Standorten in Lausanne, jetzt kommen 500 Leute in einem Gebäudekomplex zusammen, und damit sie nicht fremdeln in der architektonischen Perle, wurden 95 Prozent des früheren Hauptsitzes recycelt und wiederverwendet. Das Prinzip hat sich im Funktionärswesen ja auch immer wieder bewährt.
Wenig später haute das IOC schon wieder auf die Pauke. Es vergab die Winterspiele 2026. Das Komitee war heilfroh, auswählen zu können zwischen Stockholm und Mailand, denn im Vorfeld waren wieder alle möglichen Bewerber abgesprungen. Nach Sion, Innsbruck und Graubünden wollte ja auch Calgary irgendwann nicht mehr. „Lasst uns hoffen, dass wir bei der Wahl in Lausanne im Juni noch Kandidaten haben“, hatte IOC-Ehrenmitglied Gianfranco Kasper vor der IOC-Session in Lausanne gesagt, „ich habe vor jedem neuen Referendum Angst.“ Die Angst ist berechtigt, denn auch in Hamburg (2024), München, Krakau und schon einmal Graubünden (2022) hatte man kein Vertrauen ins olympische Nachhaltigkeitsversprechen.
Immerhin eine europäische Stadt will noch
Mailand obsiegte schließlich, was wohl daran lag, dass die Bewohner Stockholms ihre Olympiaskepsis nicht ablegen wollten. In Mailand sagten in einer Umfrage sogar mehr als 80 Prozent der Bevölkerung Ja – und folglich auch das Olympiakomitee. Mailand will nur ein paar Millionen Euro ausgeben, und zu vernachlässigen ist auch die Distanz zwischen den olympischen „Clustern“, also dem in Mailand und jenem in Cortina d’Ampezzo. Die Olympiastätten liegen mit dem Auto oder der Bahn nur fünf Stunden auseinander, ein Katzensprung. Bei den Winterspielen 2022 in Peking ist eine der zwei ausgelagerten Örtlichkeiten, Zhangjiakou, nur 180 Kilometer Luftlinie von der chinesischen Hauptstadt entfernt; ein neuer Schnellzug soll die Strecke in 40 Minuten schaffen. So etwas dürften die Italiener eher nicht hinbekommen.
Doch kaum war die Kür des neuen Winterolympioniken beendet, da schrieb das IOC Schlagzeilen mit dem erwiesenermaßen größten Aufmerksamkeitswert; das haben empirische Studien. Es gibt mal wieder einen handfesten Bestechungsskandal – um die Vergabe der Spiele in Rio. Der frühere Gouverneur von Rio de Janeiro hat Bestechung eingeräumt, um die Olympia-Bewerbung zugunsten der brasilianischen Metropole zu beeinflussen. Er habe für 2 Millionen US-Dollar Stimmen von IOC-Mitgliedern gekauft, sagte Sérgio Cabral vor Gericht. Brasiliens früherer Staatspräsident Lula da Silva sei in die Bestechung nicht direkt verwickelt gewesen, habe aber davon gewusst. Im Fokus stehen die IOC-Mitglieder Sergei Bubka und Alexander Popow. Kurzum: Es war viel los, aber irgendwie auch wieder nicht.
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