: „Wir leugnen den Klimawandel nicht“
Sommerinterview II: Die Spitzenkandidatin der FDP, Anna von Treuenfels-Frowein, über ihre grüne Kindheit, Demonstrationen und ihre Ziele für die Bürgerschaftswahl 2020
Interview Sven-Michael Veit und Katharina Gebauer
taz: Frau von Treuenfels-Frowein, haben Sie sich Ihren Sommerurlaub redlich verdient?
Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein: Ich glaube schon, so wie andere Bürger auch.
Aber Sie haben doch überhaupt nichts erreicht in den vergangenen viereinhalb Jahren in der Bürgerschaft.
Da haben Sie unsere Arbeit offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Auch aus der Opposition heraus ist es uns gelungen, starke Akzente zu setzen: In der Rechtsstaatspolitik etwa bei der kritischen Einschätzung der Verträge mit den islamischen Verbänden, in der Schulpolitik erleben wir bei den Verhandlungen zum Schulstrukturfrieden echte Konzessionsbereitschaft. Wir haben zum Beispiel auch die Kennzeichnungspflicht für Polizisten auf den Weg gebracht. Das kann nur eine starke FDP-Opposition, die mit klarem Kurs ihre Wahlversprechen einhält.
Steuern sind aber nicht gesenkt worden.
Nein, das haben wir aber auch nicht versprochen.
Nichts versprochen haben sie auch beim Thema Klimaschutz oder Klimawandel – und auch nichts getan.
Den Klimawandel zu begrenzen, ist zuallererst eine internationale und nationale Aufgabe. In diesem Rahmen machen regionale Projekte Sinn.
Man könnte aus der Kohle aussteigen, weniger Auto fahren, Häuser dämmen …
Wir leugnen den Klimawandel ja gar nicht, ganz im Gegenteil. Man könnte, anders als Rot-Grün es tut, mit Moorburg das modernste Kohlekraftwerk Deutschlands statt der alten Dreckschleuder Wedel ans Netz geben. Wichtig ist es, für die Mobilität mehr Alternativen zu schaffen. Ich persönlich nehme die Klimapolitik sehr ernst, schon weil ich aus einem Elternhaus komme, in dem man schon vor Jahrzehnten wusste, wie wichtig Nachhaltigkeit ist. Wir haben unser Brotpapier für die Schule wieder nach Hause gebracht, das gab es dann am nächsten Tag noch mal.
Klingt nach einer harten Kindheit.
Keineswegs, es war eine Kindheit, die von klarer Haltung geprägt war. Ich komme vom Land, da haben wir Nachhaltigkeit wirklich gelebt. Nicht so, wie bei denen, die gerade ganz viel über den Klimaschutz reden und dann übers Wochenende nach Mallorca fliegen. Im Übrigen gilt: Verbote sind der falsche Weg, um Akzeptanz und Erfolg für gute Klimapolitik zu sichern. Ein Nachhaltigkeitsbewusstsein muss auch Spaß machen, damit es Teil einer Lebensqualität wird.
Nicht verzichten, lieber vernichten?
Nein. Im Supermarkt bekomme ich die meisten Produkte mehrfach in Plastik eingeschweißt Das stört mich schon seit Jahren massiv. Zu Hause landen die ganzen Plastikmengen im Müll, das nervt mich. Denn es geht anders, es gibt Alternativen. Das begreifen längst auch Händler und Konzerne. Durch die „Fridays for Future“-Bewegung wird das Bewusstsein dafür geschärft Das finde ich gut.
Die FDP ist also Teil einer Nachhaltigkeitsbewegung?
Selbstverständlich! Die FDP hat Nachhaltigkeitskonzepte. Wenn Sie mich aber persönlich fragen, bezieht sich Nachhaltigkeit nicht nur auf die Umwelt, sondern bedeutet auch, dass man der nächsten Generation keine Hypothek hinterlässt. Was ich heute tue, hat immer auch Auswirkungen auf morgen. Diese Begrifflichkeit ist bei jedem Thema gleich, ob Bildung, Digitalisierung, Haushaltspolitik, das sollte für alles und überall gelten.
Sind Ihre Kinder bei „Fridays for Future“ dabei?
Nein, meine beiden Ältesten haben ihren Schulabschluss bereits in der Tasche, und mein Jüngster geht nicht hier zur Schule. Ich denke auch nicht, dass er dabei gewesen wäre.
Aber Sie hätten es auch nicht verboten?
Warum? Ich war früher selbst auf vielen Demonstrationen: gegen Atomkraftwerke, gegen Primarschulen – mit Erfolg, wie man heute sieht. Das hätte ich meinen Kindern niemals verboten. Ich finde es gut, wenn man für seine Ziele kämpft.
Auch während der Schulzeit?
Als Bildungspolitikerin sage ich: Demonstriert besser außerhalb der Schulzeit. Es gibt ohnehin so viel Unterrichtsausfall, den die FDP hart bekämpft. Da können wir nicht sagen, wir machen bei „Fridays for Future“ mal eine Ausnahme. Das ist für mich aber nicht der springende Punkt. Der wichtigste Aspekt ist doch, dass dort eine Bewegung entstanden ist, die Antworten auf das Problem des Klimawandels einfordert. So eine Bewegung kann nicht falsch sein.
Das klingt ja richtig liberal.
57, verheiratet, 3 Kinder, Juristin. Abgeordnete der FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft seit März 2011, Fraktionschefin seit Oktober 2017, designierte Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl 2020.
Das bin ich auch!
Was ist Ihr Ziel für die Bürgerschaftswahl – 10 plus x?
Wir treten für ein solides zweistelliges Ergebnis an.
Ist die Hamburger FDP, anders als im Bund, bereit und fähig zu regieren?
Die FDP ist das im Bund und auch in Hamburg. Jetzt haben wir den Anspruch, mitzugestalten und zu regieren. Es ist Zeit für liberale Politik im Senat.
In welcher Konstellation?
Wir werden unseren Wahlkampf nicht danach ausrichten, wie wir der SPD gefallen könnten, und wir fragen uns auch nicht, was Grüne oder CDU denken. Stattdessen wollen wir mit einem klaren liberalen Kompass Politik machen, und so werden wir auch unseren Wahlkampf führen. Ich schiele nicht erst nach links oder rechts. Wir vertreten eine glasklare liberale Politik, so wie wir es auch in den letzten Jahren in der Bürgerschaft getan haben.
Und welchen Senatorenposten streben Sie an?
Ich strebe ein gutes Wahlergebnis für die Freien Demokraten an, mit dem wir in den Senat einziehen. Daraus ergibt sich alles Weitere. Klar ist: Vor Verantwortung laufe ich nicht weg, sondern nehme sie gerne an.
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