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Sarkozy versucht’s noch mal – zumindest auf Papier

Frankreichs Ex-Präsident hat bisher jeden Karriereschritt mit einem neuen Buch eingeläutet. Was dräut den Franzosen nun? Ein Ortstermin in Bordeaux

Bisschen Glamour: Zur Pariser Signierstunde begleitete Sarkozy seine Frau – Model und Sängerin Carla Bruni-Sarkozy Foto: Philippe Lopez/afp

Aus Bordeaux Rudolf Balmer

Stolz zeigt Sophie ihr signiertes Buch. „Pour Sophie“ steht vor der Unterschrift. Kurz zuvor hat sich die Sekretärin neben dem Autor des Buches fotografieren lassen, dem früheren Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Er ist ihr Idol. „Sarkozyste un jour, Sarkozyste toujours!“ („Sarkozy ein Mal und für immer“), schwärmt sie mit einem früheren Wahlkampfslogan. „Er hat ein Charisma wie kein anderer, das wissen doch alle!“, schwärmt Sophie. „Und er hat dieses Staatsmännische, das auch unserem gegenwärtigen Präsidenten abgeht.“

An diesem Freitag in Bordeaux, in einem Saal der Librairie Mollat, einer größten unabhängigen Buchhandlungen Europas, haben sich heute die Fans des 64-jährigen Ex-Präsidenten versammelt. Der signiert hier routiniert sein neuntes und neuestes Buch „Passions“, dass Ende Juni erschienen ist.

Bücher zu verkaufen und damit das Medieninteresse auf sich zu ziehen, darauf versteht sich Sarkozy. In der ersten Woche nach Erscheinung wurden von seinem Buch bereits mehr als 100.000 abgesetzt. „Passions“ steht auf Platz eins der Bestsellerliste in der Sparte „Essays“. Ein „Has been“ steht damit plötzlich wieder im Rampenlicht.

Zum großen Gefallen der fast 400 Personen aller Altersgruppen, die mit ihrem Buch unterm Arm anstehen. Die haben wie Sophie nur positive Erinnerungen an Sarkozys Präsidentschaft von 2007 bis 2012. „On le regrette“ („Er fehlt uns“), heißt es.

Die Nostalgie ist eben symptomatisch für eine echte Nachfrage, die der Tournee des „Ex“ durch die Buchhandlungen eine politische Bedeutung verleiht. Im Raum steht nämlich die Frage: Wer soll heute die Führung der konservativen Rechten verkörpern? Die Antwort der Fans: „Wer, wenn nicht Sarkozy?“ Das bestätigt eine kürzliche Umfrage nach der Wahl zum Europäischen Parlament im Mai: Für 58 Prozent der Sympathisanten der Partei Les Républicains ist und bleibt Sarkozy – weit vor allen anderen Genannten – ihr „Boss“.

Nach zwei Stunden Signieren ist der nun sichtlich erschöpft. Der schwitzende 64-Jährige hat längst seine Anzugsweste ausgezogen. Er hat sich bemüht, sich von der Anstrengung nichts anmerken lassen vor seinen Anhängerinnen und Anhängern, die ihrerseits mehr als eine Stunde in der brütenden Hitze im Stadtzentrum von Bordeaux geduldig auf diesen Moment gewartet haben.

Warum nimmt Sarkozy diese ermüdende Übung überhaupt auf sich, warum zieht er für Signierstunden durch das Land? Er selbst würde es wohl mit dieser Passage seines Buchs erklären: „Was immer ich gemacht habe, war, um von den Franzosen geliebt zu werden.“ Der Dauer dieser Beziehung gewiss fügt er später mit dem Pathos eines frisch Verliebten an: „Zwischen mir und Frankreich, wird es nie zu Ende gehen.“ Immerhin: Beim Signieren kann er sich der Bewunderung und Zuneigung des Publikums gewiss sein.

Für die Sympathisanten tut es nichts zur Sache, dass er sich in ein paar Monaten wegen mutmaßlicher Bestechung eines Richters und vermutlich wenig später im Zusammenhang mit der betrügerischen Wahlfinanzierung seiner Präsidentschaftskampagne von 2012 noch einmal vor Gericht verantworten muss. Auch dass in Frankreich laut einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IFOP 76 Prozent aller Befragten nicht wünschen, dass Sarkozy in die Politik zurückkehrt, beeindruckt sie kaum.

Der 67-jährige Philippe Lecorne etwa, ein Kaufmann im Ruhestand, gibt sich in der Warteschlange als loyaler Parteisekretär von Les Républicains im benachbarten Departement Charente zu erkennen. „Für mich ist Sarkozy der größte Präsident der 5. Republik“, sagt Lecorne. „Was ihm missgünstige Journalisten und Kreise um François Hollande angetan haben, ist monströs! Dabei hat er doch in der Finanzkrise die französischen Banken gerettet, und uns hat das keinen Cent gekostet.“

Für Lecorne, der Sarkozy eine Flasche Cognac aus seiner Produktionsgegend mitgebracht hat, steht fest: „Er ist für uns der einzige Ausweg, denn er ist als Einziger in der Lage, das Land wieder in Gang zu bringen.“

Sarkozys Freunde wie Gegner glauben fest daran, dass er eines Tages als „homme providentiel“ (wie ein Mann der „Vorsehung“) an die Macht zurückkehren möchte – auch wenn Sarkozy am letzten Sonntag in einem Fernsehinterview mit dem Sender France-2 nochmals jegliche Comeback-Absichten dementiert hat. Er erklärte, sein Platz sei „definitiv nicht mehr in der Parteipolitik“.

„Er ist als Einziger in der Lage, das Land in Gang zu bringen“

Sarkozy-Fan Philippe Lecorne

Doch seine Partei, Les Républicains (LR), steckt nach der Schlappe bei der EU-Wahl (8,44 Prozent für die LR-Liste) führungslos in einer Existenzkrise. Bei den Konservativen keimt die verzweifelte Hoffnung, dass Sarkozy, der schon in anderen politischen Notlagen als Retter auftrat, die bürgerliche Rechte zu neuen Siegen führen werde.

Doch „Passions“ ist nun kein politisches Manifest, sondern, wie der Titel verrät, eine Lebensgeschichte patriotischer „Leidenschaften“ vor und hinter den Kulissen. Es ist die autobiografische, stellenweise sentimentale oder gar narzisstische Schilderung der einmaligen Karriere des Sohns eines eingebürgerten Ungarn. Einen besonderen Platz nimmt darin Jacques Chirac, sein Förderer und Mentor, ein, mit dem er sich zerstritten und wieder versöhnt hat. Er habe aus seinen Fehlern und Niederlagen mehr gelernt, gesteht Sarkozy, der sich damit bei seinen Kritikern und Gegnern eine neue Chance in der Zukunft ausbedingt.

Ob er diese je bekommt, darüber werden wohl demnächst die Richter entscheiden. Dem jetzigen Staatschef Emmanuel Macron gibt Sarkozy mit: „Die Jugend ist ein großer Trumpf für die Eroberung der Macht, wenn diese ausgeübt wird, verwandelt sie sich in eine Schwäche.“

Nicht alle Porträts der Weggefährten, die Sarkozy in seinem Buch erwähnt, sind schmeichelhaft. Aber kein einziges ist so vernichtend wie das Urteil über François Fillon, seinen damaligen Premierminister und späteren Rivalen bei den Vorwahlen zur Nominierung des LR-Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen 2017. Ihm schreibt der frühere Staatspräsident eine „doppelte Persönlichkeit“ zu. Fillon konterte auf die Attacke: „Nicolas Sarkozys Leidenschaft für sich selber wird nur durch seine Rachsucht gegenüber allen übertroffen, die es wagen, ihn herauszufordern.“

Dass Sarkozys Erinnerungen 2007, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, enden, lässt die Vermutung zu, dass er mit einem Band 2 seiner „Souvenirs“ von 2007 bis heute plant. Da der frühere Präsident bisher jede Etappe seiner Karriere mit einem Buch einläutete, würde es niemanden in Frankreich überraschen, wenn das Erscheinungsdatum dieser Fortsetzung mit der Ankündigung seiner Rückkehr zusammenfiele.

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