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das portraitSchwules Netzwerk NRW zeichnet Autor Johannes Kram mit „Kompassnadel“ aus

Foto: Pedersen/dpa/picture alliance

Er ist in der liberalen Öffentlichkeit eine Macht, und zwar eine selbst geschaffene – dank seines „Nollendorfblogs“, der die Unterzeile „Ich hab ja nichts gegen Schwule …“ trägt. Und deshalb bekommt Johannes Kram am Samstag in Köln völlig zu Recht den renommierten Preis des Schwulen Netzwerks Nordrhein-Westfalen e. V. zuerkannt. Die Auszeichnung gilt dieses Jahr einem Publizisten, Theaterautor und Aktivisten, der, so die Jury, „in den Medien (…) zahlreiche skandalöse und diskriminierende Berichterstattungen“ gegen LGBTI*-Menschen „aufgedeckt und zur Diskussion in eine breite Öffentlichkeit getragen“ hat.

Wer sich mit Kram anlegt, zieht meistens den Kürzeren. Der 1967 in Trier geborene Mann weiß, wie man mit demokratisch gesinnter Pingeligkeit die homophobe Fäulnis aufspürt, die in Gedanken und Sprüchen steckt – seien diese absichtlich fies oder auch achtlos geäußert. Und: Kram kommentiert seine Fundstücke aufs Schärfste.

Neulich etwa führte er die Programm­chefin des Senders Antenne Bayern, Ina Tenz, in seinem Blog vor: In einem offenen Brief kritisierte er, dass Tenz den aktuellen Sarah-Connor-Song „Vincent“ wegen dessen schwulen Coming-out-Inhalts nicht mehr spielen ließ. Das Lied handelt von einem Teenager-Jungen, die erste Zeile lautet: „Vincent kriegt keinen hoch, wenn er an Mädchen denkt.“

Der 52-Jährige, angenehm altersunmild, kritisierte nicht nur die Verbannung des Songs aus dem Antenne-Programm, vielmehr – und das ist die Pointe in all seinen Texten – auch die heuchlerischen Gutgemeintheiten nicht nur der bayerischen Medienfrau Tenz. Auch andere nahm und nimmt er nur zu gern schreibend aufs Korn. Das trug ihm schon den Vorwurf der Humorlosigkeit ein, was besonders infam ist, weil Kram in seinen Texten und Kommentaren zwar keinen deutschen Brüllwitz- und Schadenfreude-Humor kultiviert – aber dennoch reichlich über solchen verfügt.

In die breite Öffentlichkeit trat er in gewisser Weise schon 1998: Als Werbefachmann hatte Kram sich auf Guerillamarketing spezialisiert, auf die Nutzung werblicher Effekte ohne Millio­nenbudgets. So stand er etwa hinter dem Konzept des Projekts „Guildo Horn“, das schließlich mit einem furiosen Auftritt beim Eurovision Song Contest 1998 in Birmingham endete. Kram lebt in Berlin, setzt sich engagiert für die Vernetzung queerer Journalist*innen ein, ist Autor beim BILDblog („Politically Correct“) und war 2018 zum Jubiläumsjahr von Karl Marx in dessen Geburtsstadt Trier Autor des Theaterstücks „Marx! Love! Revolution“.

Voriges Jahr wurde er in Paris schon mit dem „Tolerantia Award“ ausgezeichnet. Die dortige Jury formulierte es so: „Johannes Kram ist ein Tausendsassa – ein Mann mit außergewöhnlich vielen Talenten. Wir würdigen ihn dafür, dass er diese so konsequent und über die Jahre für die Belange von LGBTI eingesetzt hat. Johannes Kram ist mit seinen Interventionen gelungen, die Anliegen der Community in das 20. Jahrhundert hinüberzutragen.“

Wir gratulieren! Jan Feddersen

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