piwik no script img

30 Tage 35 Millimeter

Im Juli setzt das Hamburger B-Movie ganz aufs lange dominierende Standard-Filmformat – und ein paar US-Independent-Klassiker

Die schweren Filmrollen müssen nur innerhalb der Stadt transportiert werden

Von Wilfried Hippen

„Am liebsten zeigen wir 35-mm-Filme, im Original oder mit Untertiteln“: So steht es, durchaus prominent, auf der Homepage des Hamburger Kinos B-Movie. Und auf einer ebendort zu findenden Liste der möglichen Formate findet es sich dann auch an erster Stelle das mehr als 100 Jahre lang vorherrschende Standardformat; erst danach nennen die Kinomacher*innen dann – neben gängigen digitalen – noch die analogen Formate 16 mm, Super 8 und VHS.

All das unter einem Dach anzubieten, das ist selten geworden; für das Hinterhofkino im Stadtteil St. Pauli eher eine Sache der Prinzipien als eine Notwendigkeit: Die meisten Filme im Jahresprogramm projiziert auch das B-Movie inzwischen digital. Insofern ist es ein besonderes Programm, dieser „analoge Monat“ Juli.

Ebenfalls in Hamburg hält das kommunale Kino Metropolis mit seinem Filmarchiv eine der bundesweit größten Kopien­sammlungen vor. Aus diesem reichen Bestand schöpften nun die B-Movie-Macher*innen für ihr folgerichtig „Metropolis Archiv Classics“ überschriebenes Programm. Ebenfalls ein Plus: Die schweren Filmrollen müssen nur innerhalb der Stadt transportiert werden, nicht gleich per Spedition.

Die analoge Reihe eröffnet „Stranger than Paradise“, Jim Jarmuschs 1984 herausgekommener zweiter Spielfilm (4. und 13. Juli): Damals war das 35-mm-Material derart teuer, dass Jarmusch nur drehen konnte, weil Wim Wenders ihm unbenutzten Schwarz-Weiß-Film schenkte, übrig geblieben 1982 bei „Der Stand der Dinge“. Jarmusch gewann die Goldene Kamera in Cannes, wo seine Filme bis heute regelmäßig gezeigt werden – 2019 eröffnete „The Dead Don’t Die“ die dortigen Filmfestspiele.

Mit „Lost Highway“ (7. und 11. Juli) verschreckte David Lynch im Jahr 1996 das Publikum – nicht weil der Film so gewalttätig wäre wie etwa davor „Blue Velvet“ und „Wild at Heart“. Vielmehr dekonstruiert Lynch bei dieser Verfilmung eines Stoffs von Barry Gifford die Dramaturgie so radikal, dass man der Geschichte unmöglich folgen kann, und sie sich in einer Art Albtraum-Logik auflöst.

Chaotisch wirkte auch Roger Cormans „The Trip“ (13. und 21. Juli) aus dem Jahr 1967, schon der Titel hebt auf ein Drogenerlebnis ab, auf einen LSD-Trip. Das Drehbuch schrieb Jack Nicholson, es spielten Dennis Hopper und Peter Fonda – so kann man „The Trip“ als Vorstudie zum zwei Jahre später entstandenen „Easy Rider“ ansehen.

„She’s Gotta Have it“ (25. und 27. Juli) war 1986 das Regiedebüt von Spike Lee: Die Komödie über die selbstbewusste Brooklynerin Nola Darling (Tracy Camilla Johns) gilt als Beginn des „New Black Cinema“. So locker, respektlos und witzig ist Lee danach nie wieder gewesen. Auf dem Film fußt seit 2017 die Netflix-Serie „Nola Darling“, an der Lee maßgeblich beteiligt ist.

Einer der letzten Filme die nicht nur auf 35 mm gedreht, sondern auch so vertrieben wurden, ist „Beasts of the Southern Wild“ von Benh Zeitlin aus dem Jahr 2012 (27. und 28. Juli). Eine Sturmflut bedroht den sumpfigen Südwesten der USA und eine Hippie-Gemeinde außerhalb der Deiche – auch dieser Film wirkt wie ein Rausch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen