Agrarwissenschaftler über sein Modelabel: „Ich bin stolz, vom Land zu kommen“
Lukas Meyer-Tonndorf hat ein Modelabel gegründet, um das Image von Bauernkindern aufzuwerten. Ein Gespräch über Klischees, Freundschaft und Dorfleben.
taz: Sie und Ihre Freunde wollen dem Begriff „Bauernkind“ eine schönere Note verpassen. Was ist denn schlimm daran, ein Bauernkind zu sein?
Lukas Meyer-Tonndorf: Erst einmal gar nichts. Der Gründungsgedanke der Marke war ein anderer: Wir haben einfach für unsere Truppe im Studium einen Pulli entwickeln wollen. „Bauernkind“ hat gepasst, weil wir alle in Richtung Agrarwissenschaften in Göttingen studiert haben. Wir waren dann damit auf dem Campus unterwegs.
Und dann?
Fast gleichzeitig war die Grüne Woche – das ist jetzt ein bisschen mehr als ein Jahr her – und da kam das Thema „Mobbing von Bauernkindern“ auf. Wir haben nicht verstanden, warum Kinder, die vom Bauernhof kommen, gemobbt werden. Und weil wir die Klamotten ja schon getragen haben und dadurch mit vielen Menschen über das Thema gesprochen hatten, kam die Idee, das Projekt größer zu machen und den ganzen Begriff positiv zu besetzen.
Aber wird das Landleben nicht auch schon romantisiert und damit positiv besetzt?
Von uns fünf ist auch nie jemand gemobbt worden. Unsere Motivation war eher, zu sagen: Wir sind stolz darauf, dass wir vom Land kommen und dass wir in der Landwirtschaft tätig sind. Ich glaube, es ist jetzt nicht so hipp auf dem Dorf zu leben, wo zweimal am Tag der Bus fährt. Angesehener ist es, mitten aus Bremen zu kommen, wo man viele Kulturangebote hat.
Warum „Bauernkind“ und nicht „Landkind“?
Ich denke, bei vielen steht der Bauer als jemand da, der dreckig ist, nach Tier stinkt und ein bisschen einfältig ist. Das ist jetzt eine Vermutung von mir. Das Bild, was viele Menschen von der Landwirtschaft haben, ist super veraltet. Zur Ausbildung eines Landwirts gehört heute oft das Studium dazu.
26, ist Produktmanager und hat während seines Agrarwissenschaftstudiums mit vier Freunden das Modelabel „Bauernkind“ gegründet. Die Marke soll helfen, ein positives Licht auf die Landwirtschaft zu werfen und damit das Mobbing von Bauernkindern verhindern.
Also dürfen auch Nicht-Bauernkinder die Klamotten tragen?
Ich bin, wenn man es wortwörtlich nimmt, auch kein Bauernkind. Es geht eher um dieses Lebensgefühl: Ich finde es gut, vom Land zu kommen und dass es die Landwirtschaft gibt. Ich setze mich damit auseinander.
Wer kauft denn Ihre Anziehsachen?
Wir können nachschauen, wo wir Klamotten verkaufen und das ist schon gut über Deutschland verteilt. Wir haben sogar schon nach Neuseeland oder Kanada verschickt. Ich glaube, dass es Menschen kaufen, die sich damit identifizieren können. Ich glaube nicht, dass das der Berliner Hipster das kauft, weil er das cool findet.
Wie ist das Feedback?
Jeder von uns beantwortet am Tag wohl so eine Stunde lang nur Mails. Es ist der Wahnsinn, was die Leute erzählen, egal ob der achtzehnjährige Sohn vom Hof oder der siebzigjährige Großvater, der uns erzählt, wie es früher war.
Gibt es auch negative Reaktionen?
Wir können gar nicht alle ansprechen und da darf man die Marke auch nicht überbewerten. Das bleibt ja eine Klamotte mit einem Logo drauf. Das ist die Frage, mit welcher Form der Landwirtschaft kann ich mich identifizieren: Bio oder konventionell? Darüber zu diskutieren, ist sehr spannend.
Welche Klischees vom Leben auf dem Dorf stimmen denn?
Es bleibt natürlich nichts anonym in einem Dorf. Es ist eine große Gemeinschaft, was Vorteile hat, aber mit Sicherheit manchmal auch Nachteile. Man muss es ja auch gar nicht idealisieren.
Wo sind Sie denn aufgewachsen?
In NRW, in der Nähe von Dortmund, „Halver“ heißt das. Ich glaube, im Dorf stehen 35 Häuser. In Dortmund bin ich in 35 Minuten, aber es ist schon klein. Ohne Auto ist da nicht viel zu machen.
Sind Sie dadurch anders geprägt worden als Stadtkinder?
Es ist schon anders, aber das ist auch wieder super subjektiv. Ich glaube, man kann in dem kleinsten Dorf aufgewachsen sein, aber das Stadtleben richtig toll finden. Es gibt aber auch viele, die wollen wieder aufs Land. Ich auch, mich würde nie was in die Stadt ziehen, ich kann es überhaupt nicht verstehen, wie man da leben will.
Was ist an der Stadt so schlimm?
Die Stadt ist eng. Es ist alles super teuer, es ist voll, es ist total anonym. Ich finde das Landleben angenehm, wenn ich nicht ’ne halbe Stunde nach einem Parkplatz suchen muss.
Fürs Studium haben Sie zumindest eine mittelgroße Stadt in Kauf genommen.
Fast alle sind mit dem Studium fertig. Wir haben in Göttingen studiert, sind mit dem Master durch und ich arbeite seit einem halben Jahr. Wir haben vor vier Monaten unsere WG aufgelöst mit dem Lager.
Und wie organisiert sich das jetzt?
Es ist auf jeden Fall mehr Aufwand. Unser Lager ist jetzt im Emsland bei Jost, der hat da den Hof übernommen. Das ist natürlich aufwendig, weil das Projekt Bauernkind enorm von dem Freundeskreis lebt, den wir in Göttingen hatten. Das sind mehr als wir fünf Gründer. In drei Wochen verpacken wir wieder. Wir arbeiten in den Bestellwellen und müssen ein paar hundert Päckchen packen. Dann kommen auch viele Freunde von uns und helfen. So ein Treffen ist jetzt aufwendiger, macht aber dennoch enorm viel Spaß.
Das Ganze sein zu lassen nach dem Studium, war keine Option?
Nee, das ist ein bisschen wie dein Baby. Man fängt damit an und rechnet nicht mit so einer Resonanz. Es war erst wie ein Witz, wir haben das alles nie richtig geplant. Wir haben uns erst überlegt, man könnte einen Online-Shop bauen. Wir haben eher so aus Spaß geguckt, ob man die Internetdomain „bauernkind“ kaufen kann.
Konnte man?
Irgendwie hatte die schon jemand geschützt, wir haben mit dem noch rumgehandelt, mega frech eigentlich, und haben die Seite bekommen: Oh Mist, jetzt müssen wir wirklich einen Internet-Shop bauen. Wir hatten keine Ahnung, das hatte noch nie einer von uns gemacht. Wir haben schon gedacht, dass wir als Werbung unser Leben lang diese Klamotten tragen müssen.
Warum denn nur Klamotten?
Wir haben auch noch mega viele Ideen: Gummistiefel, Handyhüllen …
Kommt also noch?
Nein. Das Problem ist einfach, dass wir jetzt schon über 200 Artikel haben. Das explodiert. Du hast einen Pulli, den hat man von XXL bis XXS. Der organisatorische Aufwand ist schon enorm.
Also bleibt es bei Klamotten?
Das Ziel bleibt, dass wir diese Message weiter nach außen tragen wollen. Das schaffen wir, indem Leute den Pulli oder das Shirt anhaben oder von mir aus die Jutebeutel, die haben wir auch. Aber wenn wir jetzt beispielsweise Unterwäsche machen würden, dann würden das nicht so viele sehen.
Und wie kommt die Botschaft an?
Das Logo fällt auf und es ist wirklich erstaunlich, wie viele einen darauf ansprechen. Du kommst mit Leuten ins Gespräch über Landwirtschaft, es wird diskutiert. Landwirtschaft geht uns alle an.
Haben die Leute ein falsches Bild von der Landwirtschaft?
Auf jeden Fall. Das ist aber nichts, was ich den Menschen zum Vorwurf mache. Ich habe das fünf Jahre studiert und würde nicht sagen, dass ich alle Zusammenhänge verstehe. Und wie soll das jemand, der sich damit nicht auseinandergesetzt hat. Das Problem ist, dass gefühlt jeder eine Meinung zu dem Thema hat. Es wäre schön, wenn man versucht, ein bisschen objektiver drauf zu gucken und eine größere Bereitschaft hat, sich auch mal was erklären zu lassen. Deswegen ist das Bild von der Landwirtschaft doch sehr stereotyp.
Auch positiv?
Nee. Negativ. Die Schlagzeilen, die im Moment von der Landwirtschaft durch die Zeitung wandern, sind relativ negativ geprägt.
Achten Sie bei der Herstellung darauf, wo und wie es produziert wird?
Die Rohlinge, die blanken Pullis und T-Shirts, kaufen wir von einem Großhändler. Worauf wir da schon achten, ist, dass die zertifiziert sind: Sie sind „Fair Wear“ zertifiziert und aus Biobaumwolle. Es gibt wenig Hersteller, die wirklich qualitativ hochwertige Klamotten herstellen, unsere Farben und die ganzen Zertifizierungen haben. Unsere Hoodies sind im Einkauf schon super teuer. Wenn wir fünf davon leben wollen würden, dann könnten die Pullis nicht so günstig sein, wie sie momentan sind.
Ist ein regionaler Hersteller denn eine Option für die Zukunft?
Absolut. Das wäre eine Überlegung. Aber wie gesagt, wir haben nicht so einen richtigen Plan, sondern wir schauen, wie es kommt.
Wie teilen Sie die Arbeit denn unter sich auf?
Wir sind fünf Jungs, sind sehr gut befreundet und das brauchte auch einen Lernprozess. Da merkt man bei Entscheidungen manchmal, okay, da ist ein bisschen viel Testosteron im Raum und alle fünf wissen besser, wie es funktionieren soll. Deswegen haben wir das mittlerweile aufgeteilt. Zum Beispiel Ansgar, der hat so etwas wie die Projektleitung und koordiniert alles von oben. Ich mache mit Jost Marketing, Social Media, Foto-Shootings und so was. Jan und Jannik machen viel mit Steuern und Überweisungen. Da habe ich gar kein Plan, was da so abgeht und das ist auch gut so.
Birgt so eine Firma mit Freunden nicht auch Konfliktpotential?
Ja, klar, man kriegt sich auch mal in die Haare und es wird auch mal laut, aber das hält man aus.
Gab es auch Schwierigkeiten?
Bei den Bestellwellen haben wir am Anfang gedacht, dass das nie in Zeiten von Amazon klappt. Die Leute sind gewöhnt, heute zu bestellen und morgen ist es da. Und bei uns musst du manchmal bis zu sechs Wochen auf deine Sache warten.
Wie funktionieren diese Bestellwellen?
Wir wollen nichts auf Lager haben, man kann bei uns also nicht immer bestellen. Der Onlineshop öffnet nur für acht Tage. Wir sammeln in der Zeit alle Bestellungen und dann machen wir wieder zu. Wir bündeln die ganzen Bestellungen, schicken sie raus, dann wird das produziert. Wir produzieren nur das, was wir auch benötigen. Erst einmal nervt uns diese ständige Überproduktion und auf der anderen Seite konnten wir uns als Studenten kein großes Lager leisten.
Aber keiner von Ihnen sieht da seine berufliche Zukunft?
Sag niemals nie. Das Projekt macht echt viel Spaß und es steckt enorm viel Zeit drin. Meine Freizeit und mein Urlaub geht dafür drauf. Aber jetzt gerade macht mir mein anderer Job auch ziemlich viel Spaß und ich finde die Kombination cool.
Wie soll es mit der Marke in Zukunft weitergehen?
Wie sich das noch entwickelt, weiß ich wirklich nicht. Als wir damals die zweite Bestellwelle hinter uns hatten, dachten wir: Okay, jetzt ist vorbei. Jetzt haben alle Leute, die wir kennen, bestellt und uns unterstützt. Aber bisher kommt da jedes Mal wieder was rein. Ich meine, das einzige Marketing, das wir gemacht haben, ist Facebook und Instagram. Das ist einfach krass.
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