: „Die Listenarithmetik stand fest“
Interview mit Markus Schlegel, einer der Sprecher des PDS-kritischen „Leverkusener Kreises“ in der Wahlalternative, über Politgangs, Bayer Leverkusen und „Hinterzimmer-Deals“ im Linksbündnis
INTERVIEW:MARTIN TEIGELER
taz: Was ist der Leverkusener Kreis? Mehr als eine Politgang?Markus Schlegel: Eine Gang ist nach der Definition des Wörterbuchs eine kriminelle Vereinigung. Ich wüsste nicht, was am Leverkusener Kreis kriminell sein sollte. In unserem Basisdokument, der Leverkusener Erklärung, heißt es: „Die WASG ist eine andere Partei, in der die Entscheidungen basisdemokratisch von unten nach oben gefällt werden. Den Versuch, die Ausrichtung der WASG von oben herab zu bestimmen, lehnen wir ab.“ Das gilt für uns nach wie vor.
Wie groß ist der Kreis? Kleiner als die Bundesligaelf von Bayer Leverkusen?Ich bin da ganz zufrieden. Um, betreffend den harten Kern, bei ihrem Beispiel zu bleiben: In etwa Bundesligaelf plus Ersatzspieler plus zweite Mannschaft. Zudem bewerten die Suchmaschinen im Internet unsere Webseiten als ebenso relevant wie etwa die Seite der Landes-WASG in Nordrhein-Westfalen.
Aber 80 Prozent der WASG-Mitglieder sind für das Linksbündnis. Warum akzeptieren Sie den Basisentscheid nicht?Eine der wichtigsten basisdemokratischen Forderungen ist per Abstimmung von uns auf dem NRW-Parteitag der WASG im Juli durchgesetzt worden: Die Trennung von Amt und Mandat. Schade nur, dass sich außerhalb von NRW keines der Bundesvorstandsmitglieder an diese politische Resolution des wichtigsten Landesverbandes hält. Demokratie ist keine Zweiklassen-Veranstaltung mit VIP-Vorrechten. Der Leverkusener Kreis wendet sich daher vor allem gegen den WASG-typischen Obskurantismus der Vorstände.
Sie persönlich haben gegen Oskar Lafontaine verloren, als es um die Bundestagskandidatur ging. Wieso sind Sie angetreten, obwohl Sie doch gegen ein Bündnis mit der PDS sind?Ich bin sehr wohl für eine starke vereinigte Linkspartei, die das Ergebnis einer Fusion auf Augenhöhe ist. Wichtig ist es mir aber, dass eine starke Mitgliederbasis eine zukünftige Fraktion im Bundestag „beaufsichtigt“. Wichtig war es mir auch, auf die nicht eben demokratischen Praktiken auf der Vorstandsebene beider Parteien aufmerksam zu machen. Hinzu kommt, dass Lafontaine wohl zu etabliert ist, um eine mutige Politik des Aufbruchs zu verkörpern. Dennoch: Oskar Lafontaine war für viele Politik-Novizen der WASG eine Madonnen-Erscheinung. Wer aber als de-facto-Vorsitzender aus einer Abstimmung mit “nur“ 80 Prozent der Stimmen herausgeht und sonst 95 Prozent für ein normales Ergebnis hält, hat einen Anlass zum Nachdenken.
Auch gegen Ex-WASG-Landeschef Hüseyin Aydin haben Sie beim PDS-Parteitag in Essen erfolglos kandidiert.Die Wahl von Herrn Aydin ist das Ergebnis von Hinterzimmer-Deals. Die Listenarithmetik stand von vornherein fest. Auf dem Linkspartei.PDS-Parteitag versuchte das Sitzungspräsidium zudem in letzter Minute gegen die Regeln des PDS-Parteistatuts, mir die Kandidatur und damit das Rederecht zu entziehen. Muss man mehr wissen?
Welche inhaltliche Kritik haben Sie an der PDS?Im Grunde dieselbe wie am Programm der WASG. Die Entwürfe sind nicht mutig genug. Statt eines großen Entwurfs für die Zukunft, wie er etwa durch Brandts Ostpolitik und „mehr Demokratie wagen“ verkörpert wurde, drehen beide Parteien buchhalterisch an kleinen Stellschräubchen mit. Mit einer PDS, die in Meckpom und Berlin gemeinsam mit der SPD in den Landesregierungen an der Umsetzung der Hartz-IV-Grausamkeiten mitarbeitet, gibt es erheblichen Diskussionsbedarf.
Wenn Ihnen die WASG-Basis weiter nicht folgt: Gründen Sie dann eine neue Partei?Es gibt im Leverkusener Kreis selbstverständlich keine Denkverbote. Die überwiegende Mehrheit der „Leverkusener“ Mitstreiter ist mit mir gemeinsam der Auffassung, wir würden es „Lichtgestalten“ wie Ernst und Lafontaine zu leicht machen, wenn wir sie nicht immer wieder auf eigenem Terrain zur Rede stellen. Daher erteile ich solchen Überlegungen eine Absage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen