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heute in bremen„Es geht verstärkt um Kulturkämpfe“

privat

Dirk Jörke, 48, ist Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der TU Darmstadt. Aktuell bei Suhrkamp erschienen ist sein Buch „Die Größe der Demokratie. Über die räumliche Dimension von Herrschaft und Partizipation“.

Interview Simone Schnase

taz: Herr Jörke, Sie kritisieren einen „moralisierenden Gestus“ in der gesellschaftlichen Debatte zum Thema Rechtspopulismus – was meinen Sie damit?

Dirk Jörke: Die Debatte wird sehr stark von einer Gut-Böse-Dichotomie geprägt. Genau die beherrscht aber auch die rechtspopulistische Logik, die damit nur bestätigt wird: Dort die bösen Eliten, hier das gute „Volk“.

Wie wird dieser Gestus ausgedrückt?

Es gibt da viele unterschiedliche Schattierungen und Ausprägungen, von denen eine ist, alle AfD-Wähler als Nazis zu betiteln. Das ist nicht produktiv, denn die Gründe für die Wahl der AfD sind vielfältig.

Bedeutet das: Man muss mehr mit den Menschen reden und ihnen zuhören?

Ja, aber nicht in Schaufensterveranstaltungen, sondern im Alltag. Momentan prallen Lebenswelten aufeinander, die schwer zusammenpassen. Hier fehlt die gemeinsame Sprache.

Welche Lösung gibt es dafür?

Keine. Grund für das Erstarken des Rechtspopulismus sind strukturelle Probleme, die in fast allen westlichen Demokratien herrschen. Die Frage muss hier also eher lauten: Womit hat das zu tun? Mit dem Kapitalismus, der neben Gewinnern auch Verlierer produziert? Mit der Trennung der Lebenswelten, dem Mangel an gemeinsamen Räumen?

Mit der Angst vor dem weiteren Erstarken des Rechtspopulismus muss man aber doch irgendwie umgehen …

Ja. Tatenlos zusehen ist sicher nicht die richtige Lösung. Die AfD lotet immer Grenzen aus und wenn sie diese Grenzen überschreitet, muss man auch einschreiten – also da, wo es verfassungsfeindlich und volksverhetzend wird. Aber Reaktionen aus dem Bauch heraus sind kontraproduktiv und lösen auf der anderen Seite Trotzreaktionen aus.

Vortrag „Rechtspopulismus – Ursachen und falsche Antworten” von Dirk Jörke: 18 Uhr, Haus der Wissenschaft

Ist es nicht vernünftig, Wähler rechter oder rechtspopulistischer Parteien aufzuklären?

Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Ich glaube allerdings, dass die AfD den Nimbus der Saubermänner verloren hat und dass dies teilweise auch durchaus Wirkung bei den Wählern erzielt hat.

Inwiefern sind die sogenannten Volksparteien verantwortlich für das Erstarken des Rechtspopulismus?

Ökonomische Fragen stehen dort nicht mehr so sehr im Vordergrund, es geht verstärkt um Kulturkämpfe statt um Verteilungskämpfe. Das ist ungut, weil die Debatten wesentlich in Richtung Identität gehen. Verteilungsfragen sind hingegen eher kompromissorientiert.

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