: „Was hier abgegangen ist, hat unsere Erwartungen weit übertroffen“
Vor zwei Jahren eröffnete die Klima-Werk-Stadt in der Westerstraße. Ende August läuft ihre Finanzierung aus. Dabei ist die Nachfrage riesig – für die Fortführung des Projektes braucht es nun Geld
Interview Alina Götz
taz: Frau Kirschenmann, steht die Klima-Werk-Stadt (KWS) vor dem Aus?
Eva Kirschenmann: Das ist noch unklar. Die Finanzierung des Projektes läuft zwar aus, wir versuchen aber gerade alles, um die Räume trotzdem zu erhalten und suchen nach finanzieller Unterstützung.
Wie viel Geld brauchen Sie denn?
Um die KWS zu retten, brauchen wir mindestens die Miete, das sind mit Nebenkosten 1.800 Euro. Sonst müssen wir ausziehen und das wär’s dann. Um das Programm so aufrecht zu erhalten, braucht es aber auch Personal. Wenigstens eine Teilstelle wäre hilfreich. Momentan haben wir zwei halbe Stellen, die von Uta und mir. Zudem haben wir eine tolle Gruppe von Ehrenamtlichen, momentan circa 60.
Wo soll das Geld künftig herkommen?
Am unabhängigsten wären wir mit einem Förderkreis von Menschen, die monatlich eine kleine Summe beisteuern. Das würde uns Planungssicherheit geben. Wir schreiben auch Förderanträge, aber darüber sind laufende Kosten nur schwierig zu finanzieren. Vielleicht müssen wir auch bald Teilnehmenden-Beiträge nehmen. Und durch private Nutzung könnte ein Teil der Miete gestemmt werden. Zudem fordern wir eine institutionelle Förderung – nicht nur für die KWS, sondern für Projekte in jedem Stadtteil.
Was erhoffen Sie sich davon?
Was wir hier machen, ist für die Gesellschaft und den Klimaschutz sehr wichtig. Die Politik will ja auch immer, dass jeder Einzelne etwas tun soll – aber Räume dafür werden nicht geboten. Das zu ermöglichen, ist genau unsere Arbeit und eine gesellschaftliche Aufgabe, daher ist eine institutionelle Förderung total begründet.
Bekommen Sie denn irgendwelche Rückmeldungen aus der Politik?
Wir werden auf jeden Fall wahrgenommen. An uns wurde auch herangetragen, dass Carsten Sieling uns in einem Vortrag zu Bürgerbeteiligung im Rathaus mal erwähnt hat. Jan Saffe kommt sowieso regelmäßig vorbei. Wir hatten auch den Neustädter Beirat zu Besuch, der uns 6.600 Euro Fördermittel bis Ende des Jahres in Aussicht gestellt und verschiedene Bremer Ressorts aufgefordert hat, sich mit uns und einer institutionellen Förderung zu befassen.
Wie sieht Ihr Programm aus?
In den regelmäßigen Öffnungszeiten können unsere Räume und Werkzeuge genutzt werden, die Holz- und Fahrradwerkstatt und der Materialfundus. Das ist eine Sammlung aus gebrauchten gespendeten Gegenständen wie Stoffe, Kabel oder Knöpfe, die weiter verarbeitet und so wieder in den Umlauf gebracht werden können. Einmal in der Woche gibt es ein Reparatur-Café mit einem Team aus insgesamt 20 Ehrenamtlichen, die sehr zuverlässig viel Zeit investieren. Dazu kommen Vorträge und Workshops.
Haben alle Veranstaltungen bei Ihnen einen ideellen Hintergrund?
Ja. Wir sind aber nicht völlig auf Klimathemen begrenzt, es gab auch schon Vorträge zu gewaltfreier Kommunikation oder Filmabende zu anderen gesellschaftlichen Themen. Wir machen aber zum Beispiel keine Parteiveranstaltungen, und wer die Räume nutzt, muss einen Anti-Diskriminierungs-Konsens unterschreiben.
Wer nutzt die Räume noch, wenn Sie gerade selber nichts veranstalten?
Seit Öffnung der KWS nutzen externe Gruppen die Räume, zum Beispiel Foodsharing. Letzten Herbst wurden die Hambi-Support-Aktionen hier vorbereitet. Die „Fridays for Future“-Gruppe hat auch eine Mobilisierungs-Veranstaltung gemacht. Auch Extinction Rebellion trifft sich hier. Es entsteht aber auch Neues: Die Initiativen „Einfach einsteigen“ und „Platz da“ haben sich hier kennen gelernt und erste Treffen gehabt. Die aktiven Menschen gab es natürlich auch schon vorher, aber hier sind sie zusammen gekommen und haben ihr gemeinsames Potenzial entdecken dürfen. Manche sind aktivistisch, andere wollen strukturell etwas verändern. Die einen arbeiten mit Petitionen, die anderen mit zivilem Ungehorsam.
Wer kommt zu Ihnen in die KWS? Und wer fehlt?
Eva Kirschenmann ist Geowissenschaftlerin (Msc.), hat am Alfred-Wegener-Institut und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gearbeitet.
Uta Bohls ist Sonderpädagogin und „Ab geht die Lucie“-Aktivistin. Vor ihrem Engagement bei der Klima-Werk-Stadt war sie für den Martinshof tätig.
Wir haben ein eher junges und gebildetes Publikum. Mehr als die Hälfte kommt aus der Neustadt, aber manche kommen auch von außerhalb Bremens. Eigentlich machen wir extra viele Praxisangebote, weil wir gerne auch Menschen erreichen wollen, die Klima noch nicht unbedingt im Alltag auf dem Schirm haben. Da können wir noch besser werden.
Das Problem haben ja viele.
Wir arbeiten gerade an Formaten, um vielleicht auch Ältere zu gewinnen. Es geht aber auch andersherum: Es gibt da eine ältere Dame, die in unserer Öffnungszeit viel häkelt und strickt – momentan produziert sie aus Stoff aus dem Fundus Abschminkpads, die wir dann gegen Spende abgeben können. Und wer mag, setzt sich dazu und lernt von ihr. Das ist toller Wissensaustausch zwischen den Generationen.
Wie ist es für Sie, jetzt an den Anfang zurückzudenken?
Das war eine intensive Zeit. Vier Aktive aus dem Stadtgartenprojekt „Ab geht die Lucie“ haben den Antrag geschrieben, darunter Uta und ich. Wir dachten, dass es schön wäre, auch mal rein zu gehen und andere Dinge machen zu können. Alles, was uns einfiel, kam in diesen Antrag. Was dann abgegangen ist, hat unsere Erwartungen weit übertroffen.
Was machen Sie ab September?
Weiß ich noch nicht, aber das ist auch in Ordnung.
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