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Das Problem FFFFLektion in Demokratie

Fehlstunden aufgrund von Fridays for Future verursachen Probleme. SchülerInnen protestierten auf dem Schulhof für ihre Versetzung.

Wichtiger als gute Noten: Klimaproteste in Berlin Foto: dpa

Eine Veränderung „beginnt immer mit dem Bruch des geltenden Rechts“. Das ist zumindest das Resümee, das der Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Tom Erdmann, zum Ende des Schuljahres – heute gibt’s Zeugnisse in Berlin – aus den Fridays-for-Future-Demos zieht. Mit dem „Recht“, von dem Erdmann hier spricht, ist das Berliner Schulgesetz gemeint. Und das zeigt sich beizeiten stur und unnachgiebig – was insbesondere mit Blick auf die Zeugnisse an einigen Schulen ein Thema wurde.

Die FFF-Demonstrationen brachten nicht nur politisch engagierte Schüler*innen auf die Straße, sondern bewegten auch die Lehrerkollegien bei den Zeugniskonferenzen vorm Schuljahresende. Denn das Berliner Schulgesetz gibt vor: Bei zu vielen – eine einheitlich festgelegte Anzahl gibt es nicht – unentschuldigten Fehlstunde , seien diese auch angefallen, weil man gegen den Klimawandel auf die Straße geht, droht die Nichtversetzung.

Niemand nicht versetzt

So erging es beinahe rund einem Dutzend Schüler*innen des Lessing-Gymnasiums in Wedding. Einige Wochen vor den Zeugnissen kam ein Brief von der Schulleitung: mögliche Nichtversetzung wegen Fehlstunden. Reichlich spät sei dieser Brief gekommen, sagte eine Schülerin, die anonym bleiben möchte, der taz. Die noch verbleibenden Wochen bis zur Zeugnisvergabe hätten nicht mehr ausgereicht, um die erforderliche Menge an Stunden nachzuholen.

Für die 13 Betroffenen hieß das zunächst, auf die Demonstrationen zu verzichten. Allerdings verlagerten sie die Politik stattdessen auf den Schulhof – sie organisierten dort eine Demo und forderten die Anerkennung von Ausgleichsleistungen. Am Ende hieß es rechtzeitig zu den Zeugniskonferenzen von der Schulleitung: Niemand sei wegen Fridays-for-Future-Fehlstunden (FFFF) nicht versetzt worden.

Ein großer Sieg für die Schülerinnen, ein kleiner für die Demokratie. So sieht es auch Gewerkschafter Erdmann. Laut Erdmann ist die Gesetzeslage nicht optimal: Die SchülerInnen sollten von ihrem Recht Gebrauch machen, die Problematik in die entsprechenden Gremien zu tragen – was die Lessing-SchülerInnen mit Erfolg getan haben. Auch das sind die FFF-Proteste: eine Lektion in politischer Bildung. Jetzt ist das Schuljahr zu Ende.

Die Weddinger SchülerInnen sind allerdings noch nicht im Ferienmodus: Sie fordern nun eine einheitliche Regelung der Fehlstunden in ganz Berlin. Ob das in ihrem Interesse liegt und wie es sich umsetzen lässt, wird sich erst im nächsten Schuljahr zeigen.

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2 Kommentare

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  • Ach, schon wieder viel Lärm um nichts, wie so oft bei euch, liebe Nachbarn nördlich des Rheins. Herzliche Grüsse aus einem anderen Zeitraum, wo man die Dinge locker nimmt..

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    «..Schulen ermöglichen es ihren Schülern, den versäumten Schulstoff aufzuarbeiten. Am [Zürcher] Realgymnasium Rämibüel etwa kann am Freitagabend gelernt werden. Wer dies nicht tut und trotzdem am Streik teilgenommen hat, riskiert eine unentschuldigte Absenz. Prüfungen, die für diesen Tag angesetzt sind, finden statt..»

    – Zürcher Schüler fordern: «Jetzt handeln oder im Museum landen» – Tausende junger Menschen haben am Freitag demonstriert, um ein Zeichen gegen den Klimawandel zu setzen. Die Kundgebung ist friedlich verlaufen.



    Reto Flury, Johanna Wedl, NZZ 24.5.19, www.nzz.ch/zuerich...strasse-ld.1484358

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    «..Zürcher Gymnasien haben auf diese Verstösse sehr unterschiedliche Antworten gefunden ..die Schulleiterkonferenz der Kantonsschulen [hat] einige Grundsätze zum Umgang mit Klimastreikenden formuliert. Die Schulen seien gehalten, entsprechend den gesetzlichen Grundlagen zur Sicherstellung des Unterrichts zu handeln, heisst es darin. Absenzen wurden daher «gemäss Disziplinarreglement pädagogisch sinnvoll und angemessen behandelt».



    Die Schülerinnen und Schüler des Realgymnasiums Rämibühl zum Beispiel können die Absenz kompensieren ..So wurde dies auch schon beim letzten Streik im März gehandhabt. Die Schüler würden den verpassten Stoff gleichentags ..selbständig an der Schule nacharbeiten. Wer sich darum foutiert, handelt sich damit den Vermerk einer unentschuldigten Absenz ein..»

    (weiter ..)

  • (> Fortsetzung)

    «..Diese Art der Kompensation ist jedoch nicht der einzige Weg, wie Schüler Busse tun können. Dies zeigte eine kleine Umfrage unter zufällig ausgewählten Streikenden ..Ein Zweitklässler eines Kurzzeitgymnasiums erzählte, er komme an seiner Schule um eine unentschuldigte Absenz herum, wenn er am nächsten Dienstag nach dem Unterricht eine Veranstaltung zum Klimaschutz besuche. Es handle sich um eine Diskussionsveranstaltung, organisiert von den oberen Klassen.



    ..Eine Sechstklässlerin, die am Freitagnachmittag Chemie und Sport schwänzte, berichtete, an ihrer Kantonsschule sei im März zwar eine unentschuldigte Absenz registriert worden. Sie sei aber folgenlos geblieben. Diesmal habe die Schulleitung aber Strafstunden in Aussicht gestellt.



    ..Ein weiterer Schüler hat Sport und eine Doppelstunde Deutsch nicht besucht. An seiner Schule sei die Teilnahme am Streik im März toleriert worden, sagt er. Seither aber gilt: Wer wegen des Klimas fehlt, handelt sich eine unentschuldigte Absenz ein – nach fünf Absenzen wird er zum Gespräch mit der Schulleitung aufgeboten und muss mit einer Strafe rechnen. Der junge Mann hat bisher drei auf dem Konto, wird aber wohl unter der kritischen Schwelle bleiben. In wenigen Tagen begännen die Maturaprüfungen, sagte er..»

    – Klimastreik in Zürich: Wie die Schülerinnen und Schüler Busse tun können – Was tun, wenn Gymnasiastinnen und Gymnasiasten nach dem Vorbild von Greta Thunberg schwänzen? Die Zürcher Kantonsschulen haben ganz unterschiedliche Antworten – von Kompensation bis Absenzen zählen.



    Reto Flury, NZZ 24.5.19, www.nzz.ch/zuerich...koennen-ld.1484493