Dänische Malerei in Hamburg: Tanz der Staubkörnchen
Als das Licht die Süße des Südens ablegte: Die Hamburger Kunsthalle zeigt dänische Malerei des 19. Jahrhunderts.
Es ist schnell zu erreichen, vom deutschen Norden aus, es hat ein reiches kulturelles Angebot – trotzdem steht Dänemark selten besonders im Blickpunkt. Im derzeitigen Jubiläumsjahr der noch bis Sommer direktorenlosen Hamburger Kunsthalle sind aber nun gleich zwei Ausstellungen aus den Beständen eines dänischen Museums zu sehen.
Der sehr erfolgreiche Banker und Versicherungsdirektor Wilhelm Hansen (1868–1936) hat für das wenige Kilometer nördlich von Kopenhagen in Charlottenlund gelegene Ordrupgaard seit den 1890er-Jahren eine beachtliche Sammlung aufgebaut, die seine Witwe Henny dem Staat vermachte. Das 1953 eröffnete Museum in einem Park umfasst ein Herrenhaus mit Galeriegebäude, Wintergarten und Stallungen sowie seit 2005 einen modernen Erweiterungsbau der Star-Architektin Zaha Hadid. Da es zurzeit geschlossen ist, weil es einen weiteren, größtenteils unterirdischen Anbau erhält, touren die Sammlungen durch die Welt – und machen auch in Hamburg Station.
Noch bis September wird hier „Im Licht des Nordens“, eine Auswahl aus 100 Jahren dänischer Kunst, gezeigt. Wilhelm Hansen hatte in 25 Jahren bis zu 140 Werke der dänischen Malerei des 19. Jahrhunderts zusammengestellt. Dazu überkam ihn aufgrund vieler Reisen nach Paris auch ein Faible für französische Malerei, von der er seit 1916 (Dänemark war im Ersten Weltkrieg neutral) eine der besten Impressionisten-Sammlungen im Norden aufbaute – auch diesen Teil wird die Hamburger Kunsthalle präsentieren: ab November.
Mit viel schriftlichen Informationen in drei Sprachen werden die Besucher nun nach Dänemark entführt und kommen zum Einstieg hinter der Wand mit einem Großfoto der historischen Einrichtung der Villa des Sammlers vielleicht etwas überraschend in Italien an. Denn die Malerei des dänischen „Goldenen Zeitalters“ (etwa 1816 bis 1848) geht auf den Klassizismus zurück, so wie auch das deutsche „Biedermeier“. Bildhauer wie Bertel Thorvaldsen und Maler wie Christoffer Wilhelm Eckersberg – den die Kunsthalle vor drei Jahren mit einer großen Ausstellung würdigte – hatten sich nicht nur an der schon 1754 im Schloss Charlottenburg gegründeten königlichen Akademie der Künste ausgebildet, sondern auch in Rom.
Und so bilden die Kolonaden von St. Peter oder katholische Feste hier den Einstieg in das bei der Rückkehr aus dem Süden von den Künstlern wieder neu empfundene Licht des Nordens. Das fast quadratische Großbild von Peter Christian Skovgaard ist ein gutes Beispiel: Hier ist über den Mauern des bedeutenden königlichen Renaissanceschlosses Frederiksborg und dem Ausblick in das landschaftliche Grün fast die Hälfte des Bildes einem blass leuchtenden Himmel gewidmet.
„Im Licht des Nordens“: bis 22. September, Hamburg, Kunsthalle
„Impressionismus“: ab 7. November, ebenda
Das einst fast ganz Skandinavien beherrschende Dänemark musste sich seit dem 18. Jahrhundert immer weiter auf seine Kernlande zurückziehen. Und so wurden speziell dänische Motive gesucht und gefunden. Nationalromantische Perspektiven prägen das sogar heute noch wiedererkennbare und auch touristisch vermarktete „typische“ und irgendwie „gemütliche“ („hyggelige“) Bild der dänischen Landschaft: Sommeridyllen in hügeligen, lichten Landschaften, Buchenwälder und Küsten … Aber, es könnte auch Schleswig-Holstein sein.
Immerhin begann Dänemark gleich hinter Hamburgs Stadtgrenzen – und die Zeiten wurden konfliktreicher. Noch wurde Dänemark, ebenso das einst zum dänischen Gesamtreich gehörende Norwegen, ganz selbstverständlich auch von den Künstlern aus Hamburg bereist; die noch bis Mitte Juli im Hubertus-Wald-Forum der Kunsthalle laufende Ausstellung zur „Hamburger Schule“ des 19. Jahrhunderts zeigt auch das auf. Aber die österreichisch-deutsch-preußischen Kriege gegen Dänemark von 1864 und 1866 führten auch zur kulturellen Konfrontation.
Nationalromantische Perspektiven
Ein weiterer Raum der fünf grauen Kabinette, in denen die nur 48 Bilder umfassende Ausstellung inszeniert ist, präsentiert die Freilichtmaler von der Insel Fünen. Sammler Wilhelm Hansen kannte einige der Künstler, die am Ende des Jahrhunderts das ländliche Leben suchten, schon aus Schultagen. Doch Landromantik und der Danebrog im Sommerwind waren nicht alles, Kopenhagen pflegte den kulturellen Austausch.
1884/85 lebte Paul Gaugin in Kopenhagen, was dem mit ihm befreundeten Theodor Philipsen in seiner besonderen Facette des dänischen Impressionismus bestärkte. Vilhelm Hammershøis „Nähendes Mädchen“, das Plakatmotiv der Ausstellung, wurde auf der Pariser Weltausstellung von 1889 prämiert. Und die „Schellenten in einem Eisloch“ von Johannes Larsen scheinen von Jugendstil und Japonismus beeinflusst.
Lauritz Andersen Ring dagegen ist am ehesten mit der Stil-Kategorie der „Neuen Sachlichkeit“ zu fassen. Fensterbilder wie das, in dem sein Sohn 1925 sinnend auf den Dom von Roskilde, die Grablege der dänischen Könige, blickt, bereiten auf den Höhepunkt der Ausstellung vor: neun Werke von Vilhelm Hammershøi. Denn nun, knapp 90 Jahre nach dem ersten Bild der Ausstellung, stimmt das Motto der Ausstellung wieder.
Beinahe wissenschaftlich präzise
Aber das Licht des Nordens hat bei Hammershøis fast metaphysischen Ein- und Ausblicken nicht nur die Süße des italienischen Südens abgelegt, sondern auch die Klarheit des langen nördlichen Abends. Es ist mit dem neuen Jahrhundert einerseits zu fast wissenschaftlicher Präzision erkaltet, wie auch zu einem geradezu abweisenden Vorhang vor der Welt verdichtet. So wird das pure Licht im Tanz der Staubkörnchen eingefangen.
Aber leicht kühl überschleierte Bilder führen auch die Räume mit morandihaft matten Farbwerten in eine Vorform von Abstraktion. Und Hammershøis Landschaftsbild vom „Dienstag-Wald“ ist gleichzeitig erschreckend unspektakulär wie doch geheimnisvoll, so ein bisschen wie die historisch aufgeladenen Alltagsorte beim aktuellen belgischen Maler-Star Luc Tuymans. Ein Dänemark, das von mattem Licht wie überpudert ins Surreale enthoben ist.
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