Wahl-O-Mat bekommt Konkurrenz: Erst swipen, dann wählen
Bisher konnte man sich mit dem Wahl-O-Mat über die Programme der Parteien informieren. Pünktlich zur Europawahl gibt es eine Alternative.
FREIBURG taz | Den „Wahl-O-Mat“ gibt es in Deutschland schon länger. Mit dem Online-Tool, das die Bundeszentrale für politische Bildung entwickelt hat, können unentschlossene Wählerinnen und Wähler herausfinden, welche Partei am ehesten zu ihnen passt. Pünktlich zur Wahl der EU-Parlaments am 26. Mai kommt nun ein weiteres Programm auf den Markt, genannt „Vote Swiper“.
Die App, die von der Berliner Digitalagentur Movact entwickelt wurde, stellt 28 Fragen, die Nutzer mit Ja oder Nein beantworten müssen (anders als beim Wahl-O-Mat gibt es keine Möglichkeit der Enthaltung). Angeschnitten werden möglichst viele Politikfelder, von Agrarsubventionen über Grenzsicherung bis hin zur Frage, ob Deutschland aus der EU austreten soll.
Im Moment gibt es nur eine deutsche und eine österreichische Version der App. Um das Programm möglichst europäisch zu gestalten, sollen bis zum 9. Mai weitere Versionen hinzukommen, sodass Bürgerinnen und Bürger aus 15 verschiedenen EU-Ländern in ihren jeweiligen Sprachen teilnehmen können. 85 Prozent der Fragen sind in allen Ländern gleich.
Dass sich die Fragen bei einem einheitlichen Parlament überhaupt unterscheiden, erklärt Projektleiter Matthias Bannert mit den unterschiedlichen Wahlsystemen. In jedem Land werden eigene Parteien gewählt, die sich erst im EU-Parlament zu Fraktionen zusammenschließen. „Außerdem werden manche Debatten nur in bestimmten Ländern geführt“, so Bannert. „In Italien interessiert sich zum Beispiel kaum jemand für Glyphosat. Die Finnen wiederum sind viel näher an der Frage, ob es visafreie Reisen zwischen Russland und der EU geben soll.“
Anonym und kostenfrei
Wie der Wahl-O-Mat ist auch der Vote Swiper kostenfrei. Die Entwickler haben das Programm nach eigenen Angaben ehrenamtlich entwickelt, gewissermaßen als Aushängeschild für die Agentur. Einen wirtschaftlichen Nutzen ziehe man nicht daraus, versichert Bannert. „Wir halten uns streng ans Datenschutzgesetz. Alle Daten werden anonym erhoben.“ Trotzdem kommen Cookies zum Einsatz, worauf auf der Startseite auch hingewiesen wird.
Der Freiburger Politologe Uwe Wagschal hat (wie andere europäische Wissenschaftler auch) an der Erstellung der Fragen mitgewirkt. „Wir machen das alle unentgeltlich“, sagt der Professor. „Für uns steht die Europawahl im Mittelpunkt – das ist unsere Motivation.“ Wagschal räumt aber ein, den Vote Swiper für die eigene Forschung nutzen zu wollen. „Wir können zum Beispiel untersuchen, wie ähnlich sich europäische Parteien eigentlich sind.“
Und was sagt die Konkurrenz? „Wir finden es grundsätzlich gut, dass sich auch andere für Demokratie einsetzen“, sagt Pamela Brandt, Projektleiterin beim Wahl-O-Mat. Ihr Programm richte sich schwerpunktmäßig an junge Menschen. Die Fragen seien von einer Redaktion aus 18- bis 26-Jährigen ausgewählt worden. Insgesamt 38 Fragen stellt der Wahl-O-Mat, also zehn mehr als der Vote Swiper. „Wir sammeln keine Daten und analysieren überhaupt nichts“, versichert Brandt.
Der Wahl-O-Mat zur EU-Wahl ist ab dem 3. Mai online (www.wahl-o-mat.de), der Vote Swiper (www.voteswiper.de) ab sofort.
Leser*innenkommentare
meerwind7
Der Voteswiper hat schon mal technische Anforderungen, die einer Nutzung mit meinem, etwas aelteren, Samung-Smartphone leider entgegenstehen.
Age Krüger
So wie ich das sehe, hat auch dieses Portal den Nachteil, dass es auf der völlig unrealistischen Vorstellung basiert, dass Aussagen von Parteien in Wahlprogrammen irgendetwas mit der anschließenden Politik der Parteien zu tun hätten.
Man stelle sich vor, ein friedensliebender Mensch, der sozial denkt, hätte aufgrund von Parteiaussagen vor der Wahl 1998 oder 2002 Grün oder SPD gewählt und würde dann erleben, wie die BRD unter deren Regierung völkerrechtswidrige Angriffskriege führt und das ganze Sozialsystem der BRD verschrottet.
Ich finde beim Wahlomat immer die Antworten der Parteien interessant. Die Antworten von DIE PARTEI sind immer die besten.
76530 (Profil gelöscht)
Gast
@Age Krüger Wenn Sie sich mit Ihrem Schlussabsatz Ernst nehmen: DIE PARTEI wählen.
Ich kenne keinen besseren De-Motivationstrainer als Nico Semsrott. Und falls er selbst einen Coach brauchen sollte, um nicht zu schnell auszubrennen: vielleicht wäre das dann mein Alterswerk. ^^
yohak yohak
Einige Fragen beim voteswiper sollten aber noch mal überarbeitet werden.
"Should more data reconciliation be introduced to prevent social abuse in Europe?"
Wer soll denn das verstehen?
76530 (Profil gelöscht)
Gast
Dass die Autoren ausschließlich die Möglichkeit einer App anbieten, sagt sehr viel aus. Vor allem für jene, die aus guten - oder sagen wir besser: schlechten - Gründen gerne auf digitale Optionen verzichten und dennoch gerne teilhaben würden.
Hörte ich da gerade das Unwort 'Herrschaftswissen'?
user21617
@76530 (Profil gelöscht) "ausschließlich die Möglichkeit einer App" ist nicht zutreffend, weil man einfach mit seinem Lieblingsbrowser auf voteswiper.org mitmachen kann. Aber Sie wollen ja ganz ohne "digitale Optionen" auskommen, wenn ich Sie richtig verstehe. Was wäre denn Ihr Vorschlag?
Don Geraldo
@user21617 Wenn ich auf die Homepage von voteswiper gehe, muß ich entweder eine App laden oder auf Facebook, Instagramm oder Twitter gehen.
Alles für mich indiskutabel.
76530 (Profil gelöscht)
Gast
@user21617 Nun, ganz so schlimm ist es auch nicht. Schließlich tummele ich mich auch hier. Dem Tipp mit voteswiper. org werde ich mal nachgehen. Wie ich mich kenne, werde ich da scheitern. ;-)
Ps. Grantler sind nicht dazu da, Vorschläge zu machen, sondern nur zum Meckern.