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Der Brexit und die irische Quadratur des Kreises

Irland muss sich auch auf den Fall des Austritts Großbritanniens aus der EU ohne Deal vorbereiten. Doch dafür gibt es noch keinen Plan. Die Zeit drängt

Ohne Deal wären umfangreiche Kontrollen von Waren und Tieren in Irland notwendig

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Frankreich werde Irland niemals im Stich lassen. Das hat der französische Präsident Emmanuel Macron dem irischen Premierminister Leo Varadkar versprochen, der am Dienstagabend zu einem Kurzbesuch nach Paris gereist war. Natürlich ging es dabei in erster Linie um den Brexit.

„Diese Solidarität ist schließlich der Zweck des europäischen Projekts“, sagte Macron. „Unsere Priorität muss das gute Funktionieren der EU und des Binnenmarktes sein. Die EU kann nicht dauerhaft die Geisel einer politischen Krisenlösung im Vereinigten Königreich sein.“

Die britische Premierministerin Theresa May will hingegen, nachdem ihr Brexit-Deal mit der EU im Parlament keine Mehrheit findet, den verschobenen Brexit-Termin erneut verschieben, über den 12. April hinaus – jedoch nur bis zum 22. Mai, damit Großbritannien nicht an den EU-Wahlen teilnehmen muss. Bis dahin will sie mit der Labour-Opposition einen Ausweg aus der Sackgasse finden.

Macron sagte, eine erneute Verlängerung der Frist sei weder selbstverständlich noch komme sie automatisch. Die Regierungschefs der Mitgliedsländer müssten von dem Sinn einer solchen Maßnahme überzeugt werden. „Wenn das Vereinigte Königreich knapp drei Jahre nach dem Referendum nicht in der Lage ist, eine mehrheitsfähige Lösung vorzulegen, hat es im Alleingang einen Brexit ohne Deal gewählt“, sagte Ma­cron. Es gebe aber drei Möglichkeiten: „Eine neue politische Initiative wie den Verbleib in der Zollunion, ein neues Referendum oder vorgezogene Parlamentswahlen in Großbritannien.“ Es liege an London, das zu entscheiden, und zwar jetzt, erklärte Macron.

Varadkar klang etwas konzilianter, denn für Irland hätte der Ausstieg des wichtigsten Handelspartners Großbritannien ohne Deal erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Für neue Vorschläge sei es noch nicht zu spät, sagte Varadkar. Aber sie müssten glaubwürdig und zielgerichtet sein. An dem Austrittsvertrag sei jedoch nicht mehr zu rütteln. Darin ist auch die Garantie für eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland geregelt.

Eigentlich ist diese Regelung, genannt „Backstop“, recht eindeutig: Sollte es keine Alternative geben, bliebe Großbritannien in der Zollunion und Nordirland im Binnenmarkt. Damit würde eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert. Weil durch den sogenannten Backstop Nordirland jedoch anders als der Rest der Vereinigten Königreichs behandelt würde, lehnen die zehn protestantisch-unionistischen Unterhaus-Abgeordneten der Democratic Unionist Party (DUP) den Deal ab. Sollte er endgültig scheitern, gäbe es auch keinen Backstop.

Ohne Deal wären „aufwendige und umfangreiche Kon­trol­len von Waren und Tieren“ in Irland notwendig. Das hat der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michael Barnier, am Dienstag noch einmal bekräftigt. Schließlich gelte das für jede EU-Außengrenze. Wo diese Kontrollen stattfinden sollen, ist bisher ungewiss.

„Wir arbeiten mit der irischen Regierung daran, das herauszufinden“, sagte Barnier. Direkt an der Grenze kann man nicht ­kontrollieren, darauf haben sich alle Beteiligten vor anderthalb Jahren rechtlich bindend geeinigt. Und die britische Regierung hat erklärt, sie werde im Falle eines harten Brexit keine Kontrollen von Waren oder Personen an der irischen Grenze durchführen. Eine schlaue Taktik, denn dadurch hat man die EU und ­Irland in Zugzwang gebracht.

Die Quadratur des Kreises muss also auf anderem Weg erfolgen. Aber auf welchem? Die EU-Regierungschefs werden ungeduldig und drängen Irland zu konkreten Antworten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits Anfang März angemahnt, Irland möge sich auf einen harten Brexit vorbereiten. Das ist bisher nicht geschehen. „Es gibt keinen Plan“, sagte Außenminister Simon Coveney am Dienstag. „Aber wir arbeiten mit der EU-Kommission daran.“ Und Varadkar will mit Merkel darüber reden, wenn sie am Donnerstag nach Dublin kommt. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

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