piwik no script img

Die Ölstreiks in Ecuador sind Teil einer neuen ProtestbewegungKleine Revolutionen

Die Streiks in Ecuador kommen nicht von ungefähr. Sie ordnen sich ein in eine immer besser organisierte Protestbewegung in vielen Ländern Lateinamerikas, die mit neuen Methoden und Organisationsformen einige alte linke Forderungen wieder aufgreift: Nationale Reichtümer sollen den jeweiligen Bevölkerungen zugute kommen. Und der Staat soll dem Gemeinwohl dienen, nicht den Interessen kleiner herrschender Kreise.

Tatsächlich hat sich in Lateinamerika die neoliberale Ideologie in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten so ungehindert und mit derart katastrophalen Ergebnissen ausbreiten können, dass die neuen Bewegungen nicht überraschen. Und: In Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez, der in seinem Land gegen den erbitterten Widerstand der traditionellen Elite vormacht, wie mit Erdölgewinnen Sozialprogramme zu finanzieren sind, haben manche dieser Bewegungen ein Vorbild.

Gerade in Ecuador, aber auch in Venezuela und Bolivien hat die Vetternwirtschaft die Demokratie nach wie vor fest im Griff. Große Teile, wenn nicht die Mehrheit der Bevölkerungen, sind vom Reichtum ausgeschlossen. In einigen Staaten – etwa Brasilien, Chile, Uruguay – haben als Reaktion darauf Parteien der demokratischen Linken Regierungsmehrheiten gefunden. Wo es solche starken Parteien nicht gibt, haben die sozialen Bewegungen bislang noch keinen konstruktiven Umgang mit der demokratischen Verfasstheit ihrer Länder gefunden. In Bolivien droht die Auflösung des Staatsverbandes, in Ecuador sind in den letzten Jahren reihenweise unfähige Präsidenten durch Proteste abgesetzt worden, ohne dass sich die Grundlagen der Machtverteilung wirklich geändert hätten.

Was sich in Lateinamerika vollzieht, ist eine kleine Revolution, mit einer großen Gefahr. Die Bewegungen können bewirken, dass die Demokratisierung der Achtziger endlich auch ihre sozioökonomische Verteilungskomponente bekommt. Das setzt aber bei allen gesellschaftlichen Kräften den Willen zur Demokratie voraus. Ohne diesen droht ein akzentuierter Klassenkampf, womöglich mit in Lateinamerika bekannten Mitteln. BERND PICKERT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen