: Bahn baut Barrieren auf
Seit dem 1. Februar gilt der Mobilitätsservice der Bahn nicht mehr für alle Verbindungen. Der Hamburger Rollstuhl-Extremsportler David Lebuser fordert eine Änderung
Von Eiken Bruhn
David Lebuser kommt mit seinem Rollstuhl eigentlich überall hin. Der 32-jährige Hamburger ist bekannt dafür, dass er sich Halfpipes hinunterstürzt. 2014 war er Weltmeister im Wheelchair Motocross. In bundesweiten Kursen gibt er sein Wissen über das Rollstuhl-Skaten weiter. Besonders oft ist er in Dortmund, wo er früher gewohnt hat, und wo sein Arbeitgeber sitzt. Deshalb fährt er regelmäßig mit der Bahn die Strecke Hamburg-Dortmund.
Weil der Bahnhof in Dortmund nicht barrierefrei ist, braucht er dort jemanden, der ihn auf den Bahnsteig bringt. Das muss er beim Mobilitätsservice der Deutschen Bahn anmelden, der Helfer für den Aus- und Umstieg organisiert. Das an sich sei schon „lästig, kompliziert und langwierig“, wie er in einem offenen Brief an die Bahn schreibt. Er verstehe nicht, warum der Service nicht direkt mit der Fahrkarte gebucht werden kann.
Knapp 72.000 Menschen hatten am Montagnachmittag eine Online-Petition unterschrieben, die die Bahn dazu auffordert, dieses Verfahren zu vereinfachen. Die Deutsche Bahn hat dem Petenten geantwortet, dies sei technisch sehr kompliziert. Lebuser kritisiert, dass er oft erst vom Mobilitätsservice erfahre, dass er eine gewählte Verbindung nicht nutzen kann, weil der Wagen mit den Rollstuhl-Plätzen nicht angehängt ist.
Aber den offenen Brief hat er geschrieben, weil die Deutsche Bahn zum 1. Februar ihre Geschäftsbedingungen geändert hat. Seitdem gilt der Mobilitätsservice nicht mehr für alle Verbindungen, sondern nur noch für die der Deutschen Bahn sowie für 18 private Bahnunternehmen.
Die Eurobahn, mit der Lebuser Anfang Februar von Münster nach Dortmund hätte fahren wollen, ist jedenfalls nicht beim Mobilitätsservice dabei. Für das Teilstück Dortmund-Münster und retour möge er sich an die Eurobahn wenden, teilte ihm der Mobilitätsservice mit und gab ihm die Nummer von deren Hotline.
Nur: Die Eurobahn fühlte sich nicht zuständig und verwies zurück an die Deutsche Bahn (DB). „Auf einen barrierefreien Zugang zu den Bahnhöfen und Bahnsteigen“ habe das Unternehmen „leider keinen Einfluss“, schreibt Eurobahn in einer E-Mail. „Dieser liegt in der Verantwortung der DB.“
Die Deutsche Bahn antwortete Lebuser mit dem Verweis darauf, dass sie nicht bereit sei, die Kosten für den Mobilitätsservice allein zu tragen. „In den zurückliegenden vier Jahren sind die Reisendenzahlen, die eine Hilfeleistung in Anspruch genommen haben, um rund 50 Prozent gestiegen“, heißt es in der Antwort. Diese Kostensteigerung habe das Unternehmen mit seinen Konkurrenten „gerecht teilen“ wollen und ihnen deshalb einen Vertrag angeboten – den aber nur ein kleiner Teil unterschrieben habe.
„Dieser Streit wird auf dem Rücken von uns Behinderten ausgetragen“, ärgert sich Lebuser. „Wenn ich weiter selbständig mit der Bahn unterwegs sein will, heißt das, ich muss mehrere Mails oder Telefonate führen und weiß aber nicht, ob ich dann tatsächlich eine Hilfe bekomme.“
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hält diesen Zustand für inakzeptabel. Der Landesvorsitzende Adolf Bauer forderte die privaten Eisenbahnunternehmen in Niedersachsen dringend auf, sich an dem Mobilitätsservice zu beteiligen. Notfalls müsse die Politik Druck machen. „Schließlich ist eine zentrale Anlaufstelle auch in der entsprechenden EU-Verordnung vorgesehen“, sagte Bauer.
Bei Lebusers letzten Reise nach Dortmund wartete dann tatsächlich ein Service-Mitarbeiter am Gleis, um ihn über den Lastenaufzug nach unten in den Bahnhof zu bringen. Für die nächste Reise hat er sich daher eine Verbindung gesucht, die für ihn zeitlich ungünstig ist. Aber er kann direkt von Hamburg nach Dortmund fahren – mit einem DB-Zug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen