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Security in der Kinderschutzgruppe

Senat räumt Wachdienst-Dauereinsatz in Kinderhäusern ein. Linke: „Dürfte in Deutschland einmalig sein“

Von Kaija Kutter

Jetzt ist es offiziell: Der Landebetrieb Erziehung setzt in zwei seiner Kinderschutzhäuser seit vorigen Herbst einen Security-Dienst ein. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken hervor. Es handelt sich um die Kinderschutzgruppen für sechs- bis zwölfjährige Kinder in Wilhelmsburg und Neugraben.

Insgesamt kam es seit dem Start des Security-Einsatzes am 28. August 2018 bis zum 9. Februar 21 Mal vor, dass Kinder von Security-Mitarbeitern festgehalten wurden. Zu den einzelnen Vorfällen, die dokumentiert sind, äußert sich die Behörde von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) nicht – unter Hinweis auf den Sozialdatenschutz.

In der Neugrabener Kinderschutzgruppe erfolgte der Einsatz vom 28. August bis 16. September. Zu dieser Zeit befanden sich sogar ein vier- und ein fünfjähriges Kind im Haus. Im Wilhelmsburger Haus erfolgte der Einsatz eine Woche im Oktober und seit dem 12. November „fortlaufend bis heute“, wie der Senat schreibt. Der Mitarbeiter trage Security-Kluft, damit er in seiner Rolle „klar erkennbar“ sei. Er habe die Anweisung, keine Pädagogik zu übernehmen und halte sich im Hintergrund. Zeigten Kinder ein „hoch aggressives und gewalttätiges Verhalten“, könne der Wachmann durch „Präsenz und deeskalierende Intervention“ die Pädagogen unterstützen.

Die Linke findet das inakzeptabel. „Die Kinderschutzhäuser haben massive Probleme, aber Security ist keine Lösung“, sagt die Abgeordnete Sabine Boeddinghaus. Ein Problem sei, dass die Kinder immer länger in den Schutzhäusern blieben, die eigentlich nur als „Übergangszuhause“ nach einer Inobhutnahme gedacht seien.

Auch sei die Mitarbeiter-Fluktuation viel zu hoch, bemängelt die jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion: „Die dortigen Zustände sind weder für die Beschäftigten noch für die Kinder akzeptabel.“ Die Security werde offenbar bei Überlastungen eingesetzt, habe aber in Einrichtungen, die mit hoch belasteten Kindern arbeiten, nichts zu suchen. Der Einsatz „dürfte in Deutschland einmalig sein“, sagt Boeddinghaus.

Ihr Parteikollege Mehmet Yildiz hält es für nicht plausibel, dass es gelingt, die Security von der Pädagogik fernzuhalten. Ein Wachdienst, der sich im Hintergrund hält und nur in Notlagen einschreitet, mache die Sache für die Kinder eventuell sogar noch traumatisierender, weil die Personen „völlig unbekannt sind“.

Die Ursache für die Zuspitzung in den Kinderschutzhäusern liegt nach Ansicht der beiden auch darin, dass es an Alternativen fehle. So gebe es zu wenig Plätze in Eltern-Kind-Einrichtungen und zu wenig Kurzzeit-Pflegestellen. Der Zustand der sozialen Infrastruktur entspreche in keiner Weise den Empfehlungen der Enquete-Kommission zur Verbesserung von Kinderrechten. Die Linke will Anträge stellen, damit eine Umkehr erfolgt. Doch beim Security-Thema biss sie bisher bei Rot-Grün auf Granit. So blockierten SPD und Grüne im Oktober die Überweisung einer Anfrage in den Familienausschuss, in der es um Security-Einsatz bei Jugendlichen ging.

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