Protest an der HGB Leipzig: Leere Räume statt Kunst
In der Leipziger Kunsthochschule blieben beim jährlichen Rundgang die Ausstellungsräume leer – und das ist erst der Anfang.
Normalerweise ist der Rundgang die Gelegenheit, die künstlerischen Arbeiten des Jahres zu präsentieren. Die ganze Schule wird zur Ausstellung. Gerade die der Diplomanden sind von großem Interesse – auch für Galerien.
Doch diesmal haben Rektorat, Stura und Meisterklassen zusammen beschlossen, nichts zu zeigen. „Der Verzicht auf die Klassenpräsentationen als Zeichen der Solidarisierung ist für uns, insbesondere für die Diplomand*innen, die zum Ende des Wintersemesters üblicherweise ihre Abschlussarbeiten in der Hochschulgalerie ausstellen, ein Opfer und auch visuell ein sehr starkes Bild“, sagt Luisa Hohlfeld, Vorsitzende des HGB-Studierendenrats.
Doch wofür diese Solidarisierung, dieses Opfer, der Protest? Vier konkrete Forderungen werden auf Flugblättern verteilt: Eine ausreichende Finanzierung! Mehr Stellen! Genügend Raum! Dialog auf Augenhöhe!
Ministerium kürzte 173.000 Euro
Auslöser für die drastische Protestaktion ist natürlich das Geld. Die HGB erhalte keine auskömmliche Grundfinanzierung, heißt es von Seiten der Hochschule: „Sie ist nicht mehr in der Lage, die Qualität der Lehre in allen Bereichen zu gewährleisten.“
Schuld seien Lohnsteigerungen, gewaltige Ausgaben für Selbstverwaltung, die Unkalkulierbarkeit von Sonderzuweisungen und Abzüge im Budget, weil die Zielvereinbarungen nicht eingehalten wurden.
Diese stehen in der „Hochschulentwicklungsplanung 2025“, in denen das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst den Hochschulen sehr genaue Zielvorgaben setzt. Demnach hat die HGB zu oft die Regelstudienzeit überzogen – und so wurden ihr Finanzhilfen in der Höhe von 173.000 Euro gestrichen.
„Steuerungsinstrumente wie Zielvereinbarungen sind ein Bestrafungssystem und basieren auf quantifizierten Kriterien, die für eine (Kunst-)Hochschule nicht sinnvoll sind“, kritisiert der Rektor der HGB, Thomas Locher. An der Wand neben einer Klassentür heißt es einfacher formuliert: „Kunst darf nicht dienen.“
Ratlose Kunststudierende
Stura-Chefin Hohlfeld sieht das Ganze auch als globales Problem: „Sämtliche Lebensbereiche werden ökonomisiert – selbst das Gesundheitssystem“, sagt sie in einer Runde von Kunststudierenden aus verschiedenen Städten, die die HGB nach Leipzig eingeladen hat.
Denn auch wenn die Wände leer sind, so soll der viertägige Rundgang vor allem zu Diskussionen führen. Ein Netzwerk wollen die Studierenden schaffen, um zu schauen, welche Probleme andere Kunsthochschulen haben.
Eine Studentin aus Dresden moniert, dass es schwer ist, Kommilitonen zum gemeinsamen Protest zu bewegen. Jemand weist darauf hin, dass das Problem nicht neu sei. Auch Nicht-Anwesende konnten ihre Meinung kundtun.
Eine Studentin aus München sagt, dass das halt schwierig sei, wenn man zwei Nebenjobs machen muss, um das Studium zu finanzieren. Jemand weist darauf hin, dass das Problem nicht neu sei. Ein anderer glaubt, das bringe nichts, hier in der Hochschule zu debattieren, weil das niemanden interessiere, man müsse raus gehen.
Bier, Pfeffi und Bockwurst
Es ist eine typische Diskussion, wie man sie aus vielen Universitäten kennt. An der Bar gibt es Bier, Pfeffi und Bockwurst, in der Ecke wird geraucht.
Während der vier Tage des Rundgangs hat die HGB ihre Webseite genauso leer geräumt wie ihre Klassenräume: eine weiße Seite mit Kommentarmöglichkeit für alle. Hier melden sich auch Stimmen, die die Aktion für den falschen Weg halten: „Leere Räume? Ist das die Lösung?“, fragt eine Nutzerin.
Ein mehrmals geäußerter Vorwurf: Die Aktion sei zu kurzfristig, die Finanzsituation ja schon lange bekannt, gewesen. Andere nutzen das Forum, um allgemein ihre Kritik loszuwerden. An zu hohen Professorengehältern oder fehlender Evaluierung.
„Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten“, sagt HGB-Pressesprecherin Meike Giebeler am Montag nach dem Rundgang. Die Besucherzahlen hingegen waren – abgesehen vom Eröffnungsabend – geringer als in den letzten Jahren. Rund 1500 statt etwa 4.000 Menschen.
Ministerin Stange kam vorbei
Einer der Gäste war die sächsische Kunstministerin Eva-Maria Stange. Ein offizielles Statement der Ministerin gibt es nicht, doch sie sei gesprächsbereit gewesen, sagt Giebeler. „Es war notwendig, auf unsere künstlerischen und gestalterischen Belange und Nöte in der Lehre aufmerksam zu machen.“
Der leere Rundgang soll dabei erst der Auftakt zu weiteren Veranstaltungen und Diskussionen im Sommersemester gewesen sein. Auch die Diplomanden werden ihre Werke dann noch ausstellen können. Damit es wieder heißt: Lehre statt Lehre und jetzt: Kunst.
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